Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
Friedenstauben und den singenden Kindern, meine ich.«
Ich merkte ihr an, dass sie sich bemühte, diese Informationen aus ihrem Gedächtnis aufzurufen; sie holte tief Luft und fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase, während sie ihre Gedanken sammelte. »Nach der Pressekonferenz findet eine Zeremonie mit etwa zweihundert Kindern statt. Sie überreichen den drei Spitzenpolitikern einen Friedensquilt, der aus in Amerika, Israel und Palästina genähten Stücken zusammengesetzt ist. Die Übergabe soll auf dem Rasen des Weißen Hauses vor der nördlichen Säulenhalle stattfinden. Während die Kinder Friedenslieder singen, halten Clinton, Arafat und Netanjahu den Quilt in die Kameras; gleichzeitig werden die weißen Tauben freigelassen.«
Plötzlich wusste ich, was mir Sorgen gemacht hatte. Mein Herz begann zu jagen, und ich dachte, ich müsste mich übergeben. Trotzdem schaffte ich es, scheinbar ruhig zu sagen: »Die Kinder meines Freundes sind auch dabei ...«
Sie starrte mich erschrocken an. »Scheiße, Nick, eine der Möglichkeiten, das Attentat zu verüben, wäre ein Bombenanschlag. Diese Idee ist nicht weiter verfolgt worden, aber jetzt . wer weiß? Nach dem Verlust der Waffen wäre das die einfachste Methode.« Sie begann wieder zu weinen.
Ich packte sie und zwang sie dazu, mir ins Gesicht zu sehen. Ihre Augen waren geschwollen, ihre Wangen nass und gerötet. »Hör zu, Sarah, ich muss dringend telefonieren.«
Sie begann zu betteln. »Bitte nicht, Nick! Ein Anruf genügt nicht. Damit rettest du vielleicht die Kinder deines Freundes, aber andere müssen trotzdem sterben.«
Ich legte ihr einen Finger auf die Lippen. Was sie sagte, war mir selbst klar. Ich konnte Josh ohnehin nicht anrufen; er würde erst rechtzeitig zur Generalprobe nach Washington zurückkommen. Waren die anderen Kinder mir etwa scheißegal? Nein, natürlich nicht, aber Joshs Kinder standen mir trotzdem näher.
»Ich muss jemanden anrufen, um mir seine Nummer geben zu lassen, das ist alles.«
Ich machte kehrt, trat in die Telefonzelle, schob meine Telefonkarte ein und wählte. Miss Grenfell-Brodie meldete sich. »Hallo, hier ist noch mal Nick Stone«, sagte ich. »Tut mir sehr Leid, dass ich Sie belästigen muss, aber kann ich Kelly sprechen? Wenn’s recht ist, rufe ich in einer Viertelstunde wieder an.«
Sie gewöhnte sich anscheinend daran. Ich konnte sie beinahe seufzen hören. »Ja, natürlich, aber lassen Sie das bitte nicht zur Gewohnheit werden, Mr. Stone. Es stört ihren Schulalltag. Weitere Anrufe können Sie gern zu vernünftigeren Zeiten mit unserem Büro vereinbaren.«
»Vielen Dank, das habe ich nicht gewusst. Es soll nicht wieder vorkommen, Ehrenwort. Könnten Sie Kelly bitten, ihr Adressbuch mitzubringen?«
»Ja, natürlich. Sie putzt sich gerade nach dem Frühstück die Zähne. Ich hole sie gleich an den Apparat.«
»Danke.« Ich hängte den Hörer ein. Natürlich wusste ich, dass man feste Zeiten für Anrufe vereinbaren konnte. Aber zum Teufel damit! Wer zahlte schließlich die Rechnungen?
Sarah zog die Augenbrauen hoch. »Wer ist Kelly?«
»Tut nichts zur Sache«, wehrte ich ab.
Wir standen da und warteten. Ich merkte, dass Sarah unbedingt noch etwas sagen wollte, aber sie kannte mich gut genug, um zu erkennen, dass ich nicht in Stimmung dafür war, ihre Fragen zu beantworten.
Während ich vor der Telefonzelle stand und mir Sorgen machte, jemand könnte uns sehen, wurde mir plötzlich klar, dass wir nicht hier zu warten brauchten. Ich konnte Kelly übers Mobiltelefon anrufen. Wir gingen schweigend zu unserem Gebäude zurück. Sarah ließ dabei ihren Arm um meine Taille gelegt.
Als ich die Tür hinter uns schloss, verschwand Sarah im Bad, um sich das Gesicht zu waschen. Ich setzte Kaffeewasser auf und dachte darüber nach, was sie erzählt hatte. Normalerweise erinnerte ich mich kaum an die Toten, die ich in meinem Leben gesehen hatte, aber die Leiche von Kellys jüngerer Schwester sah ich so deutlich vor mir, als sei sie gestern ermordet worden. Schon deshalb würde ich dafür sorgen, dass Joshs Kindern ein ähnliches Schicksal erspart blieb. Aber sollte ich ihn informieren und damit das Risiko eingehen, dass er pflichtgemäß den Secret Service benachrichtigte? An seiner Stelle hätte ich es getan - aber spielte das überhaupt eine Rolle? Würde die Zeremonie trotzdem stattfinden? Natürlich würde sie das. Aber was war mit dem Informanten? Würde er die Attentäter so frühzeitig warnen, dass sie ihr
Weitere Kostenlose Bücher