Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
meines verändern zu lassen.
Während Sarah weiter wie rasend tippte, trank ich Kaffee, beobachtete, wie die Küste Zyperns allmählich näher kam, und überlegte mir, was zum Teufel ich eigentlich hier zu suchen hatte.
APRIL 1998
Freitag, 24. April 1998
1
»Drei Gallonen pro Tag, das ist eure Ration«, blaffte der Bootsmann. »Aber zwei davon kriegt der Koch, deshalb bleibt euch eine Gallone - ich sag’s noch mal, nur eine Gallone - zum Trinken, Waschen oder wofür ihr’s sonst braucht. Wer dabei erwischt wird, dass er mehr nimmt, wird ausgepeitscht. Dasselbe gilt für Spieler, Betrüger und Drückeberger. In Ihrer Majestät Marine ist kein Platz für Drückeberger!«
Wir standen auf beiden Seiten des Oberdecks an der Reling aufgereiht und hörten uns an, was der Bootsmann über unsere Wasserration zu sagen hatte. Ich bemühte mich, nicht Joshs Blick zu begegnen; ich wusste, dass ich einen Lachanfall bekommen hätte, den Kelly mir verübelt hätte.
Wir waren knapp zwei Dutzend »Jungmatrosen«, hauptsächlich Kinder, alle in der Einheitskleidung von Seeleuten aus dem 16. Jahrhundert: Hemd und Wams aus naturfarbenem Leinen, dazu eine wadenlange schwarze Hose und selbst mitgebrachte Laufschuhe. Wir befanden uns an Bord der Golden Hind, einem originalgetreuen Nachbau des Schiffes, mit dem Sir Francis Drake von 1577 bis 1580 die Welt umsegelt hatte. Auch dieses Schiff hatte die Welt umsegelt und in so vielen Filmen mitgespielt, dass es mehr
Wartungsarbeiten hinter sich hatte als Joan Collins. Und nun lag es hier vor Anker und diente als »Edutainment«-Attraktion, wie Kelly es in ihrer sehr amerikanischen Art ausdrückte. Sie stand jetzt rechts neben mir und fand dieses Geschenk zu ihrem neunten Geburtstag - der schon vor einigen Tagen gewesen war - schrecklich aufregend.
»Siehst du, ich hab gewusst, dass dir das gefällt!«, sagte ich lächelnd.
Sie gab keine Antwort, sondern konzentrierte sich weiter auf den Bootsmann. Er war wie wir gekleidet, durfte dazu jedoch einen Dreispitz tragen - wahrscheinlich wegen all der zusätzlichen Verantwortung.
»Ihr erbärmlichen Landratten seid für eine Reise mit Sir Francis Drake ausgewählt worden - an Bord dieses Schiffs, des besten Schiffs der Flotte, der Golden Hindi« Sein scharfer Blick wanderte die Reihen entlang von einem Kind zum anderen. Er erinnerte mich an den ersten Ausbilder, den ich als blutjunger Soldat gehabt hatte.
Ich sah zu Josh und seiner Bande hinüber, die jetzt diese Tirade über sich ergehen lassen mussten. Joshua G. D’Souza, achtunddreißig, war kaum größer als einen Meter fünfundsiebzig, aber da er fleißig mit Gewichten trainierte, bestanden seine fünfundachtzig Kilo Körpergewicht hauptsächlich aus Muskeln. Selbst sein Kopf sah wie ein Bizeps aus: Josh war zu neunundneunzig Prozent kahl und hatte sich das restliche Prozent auch noch wegrasiert. Seine goldgefasste Brille mit runden Gläsern ließ ihn irgendwie eher bedrohlich als intellektuell wirken.
Josh war halb Schwarzer, halb Puertoricaner, aber in Dakota geboren. Das war mir etwas rätselhaft, aber ich hatte keine
Lust, ihn danach zu fragen. Er war als Jugendlicher zum Militär gegangen, hatte in der 82 nd Airborne und bei den Special Forces gedient, war dann in den Secret Service des US-Schatzamts eingetreten und hatte dem Washingtoner Team angehört, das den Vizepräsidenten beschützte. Er wohnte in dem Neubaugebiet, in das Kellys Vater mit seiner Familie gezogen war, und hatte Kevin persönlich gekannt - nicht von der Arbeit her, sondern weil ihre Kinder in dieselbe Schule gingen.
Neben Josh standen drei Kinder, die sichtlich Mühe hatten, den Akzent des Bootsmanns zu verstehen. Für sie war dies die letzte Etappe ihrer Europareise während der Osterferien. Kelly und ich hatten sie erst gestern vom Eurostar aus Paris abgeholt; sie würden ein paar Tage mit uns Sehenswürdigkeiten besichtigen, bevor sie nach Washington zurückflogen, und Kelly genoss ihren Besuch. Das freute mich, denn dies war das erste Mal, »seit es passiert war«, wie wir sagten, dass sie die anderen wiedersah. Insgesamt ging es ihr im Augenblick ziemlich gut, und sie schien ihren Schock allmählich überwunden zu haben.
Der Blick des Bootsmanns glitt unsere Reihe entlang. »An Bord lernt ihr, die Kanonen zu bedienen, und ihr lernt, wie man Segel setzt und Enterversuche abwehrt. Aber noch besser wird euch gefallen, dass wir auf Schatzsuche gehen und Shantys singen!« Die Mannschaft wurde ermutigt,
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