Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
dass ihr keine andere Wahl blieb. Sie würde sich nicht von den anderen trennen; ohne mich konnte sie das nicht.
Reg 2 bedeckte die Brustwunde mit einer der aufgerissenen
Plastikhüllen, um sie besser abzudichten, und wies Sarah an: »Legen Sie wieder Ihre Hand darauf.« Ein weiterer Mann und er packten die Griffschlaufen der improvisierten Tragbahre. Reg 2 hielt die Flasche hoch, damit das Blutplasma unterwegs weiter laufen konnte, indem er den Aufhänger am Flaschenboden zwischen seine Zähne nahm.
Dies war keine taktische Absetzbewegung zu den bereitstehenden Fahrzeugen, sondern wir mussten so rasch wie möglich verschwinden, wobei das Gewicht des Verwundeten und sein Zustand zu berücksichtigen waren. Ich wusste nicht, was sich hinter uns im Zielgebiet abspielte, aber das war mir eigentlich auch egal.
Als wir nach knapp einer halben Stunde die Fahrzeuge erreichten, nahm ich Sarah beiseite. Es hatte keinen Zweck, sich in die Vorbereitungen dieser Leute einmischen zu wollen; wir waren nur Passagiere. Sarah genügte das natürlich nicht. »Was ist los?«, zischte sie. »Warum fahren wir noch nicht?«
Ich deutete auf den hinteren Previa. Die Regs hatten seine Hecktür geöffnet und legten die Sitzlehnen um, damit eine Liegefläche für Glen entstand. Während ich sie beobachtete, fiel mir auf, dass der Lichtschein der Kleinstadt nicht mehr zu sehen war. Meine Vermutung war richtig gewesen: Das Zielobjekt hatte eine eigene Notstromversorgung.
Der Fahrer unseres Wagens holte sich den Schlüssel, öffnete die hintere Tür und ließ uns einsteigen. Ein weiterer Reg saß vorn neben ihm. Er drehte sich zu uns um. »Sobald die anderen fertig sind, fahren wir zum Treffpunkt für Notfälle.«
Unser Wagen war unbeleuchtet, denn der Fahrer trug schon seine Nachtsichtbrille. Unsere nervöse Spannung war fast mit Händen greifbar. Wir wussten alle, dass wir schleunigst verschwinden mussten; taten wir das nicht, saß nicht nur Glen in der Scheiße. Ich redete kein Wort mit Sarah; ich sah sie nicht einmal an.
Endlich fuhr der andere Previa langsam an, und unser Wagen überholte ihn und übernahm die Führung. Es dauerte nicht lange, bis wir eine asphaltierte Straße erreichten. Hinter uns flammten Scheinwerfer auf, und Sarah betrachtete das als Signal, ihren Laptop herauszuholen. Sekunden später flogen ihre Finger in hektischer Eile über die Tastatur. Der Widerschein des Bildschirms beleuchtete ihr verschwitztes, schmutziges Gesicht. Mein Blick fiel von den Karten, Grafiken und arabischen Schriftzeichen auf dem Bildschirm, die mir alle nichts sagten, auf Sarahs tadellos manikürte Finger, die weiter rasend schnell die Tastatur bearbeiteten und sie mit Glens Blut beschmierten.
Wir rasten zwanzig Minuten lang wie Besessene. Dann hielten unsere Fahrer an, um Infrarotfilter vor die Scheinwerfer zu kleben, setzten ihre Nachtsichtbrillen auf und holperten weitere zehn Minuten lang durchs Gelände abseits der Straße. Danach hielten wir wieder.
Das Ticken des Automotors im Leerlauf, das Klappern von Sarahs Fingern auf der Tastatur und das Murmeln, mit dem sie den arabischen Text auf ihrem Bildschirm las, waren die einzigen Geräusche. Aber dann begann ihr Laptop leise zu piepsen. »Scheiße!«, murmelte sie. Der Akku des Geräts war fast erschöpft.
Aus dem anderen Previa drangen Stimmen herüber. Dort bemühte sich jemand um Glen, schrie ihn an und versuchte, ihn zu einer Reaktion zu bewegen. Dieser Lärm musste in Kauf genommen werden. Es ist schwer, lautlos zu arbeiten,
wenn man darum kämpft, einen Mann am Leben zu erhalten.
Nach ungefähr fünf Minuten sah der Fahrer auf seine Uhr. Er öffnete die Tür und brüllte: »Licht an!« Dann blendete er die IR-Scheinwerfer auf und ab, während er mit der anderen Hand seine eingeschaltete IR-Leuchtbake Firefly übers Dach hielt. Im nächsten Augenblick war in der Ferne ein dumpfes Knattern zu hören, und in weniger als einer Minute füllte das Donnern eines anfliegenden Hubschraubers Boeing Vertol Chinook den Nachthimmel. Der Lärm wurde ohrenbetäubend, und Steine prallten gegen Windschutzscheibe und Karosserie, während der Previa im Rotorabwind schwankte. Wegen des Staubs, den seine Rotoren aufwirbelten, würde der Pilot die wartenden Fahrzeuge gar nicht mehr sehen können.
Sekunden später tauchte eine nach vorn gebeugte Gestalt in einer flatternden Fliegerkombi aus dem Sandsturm auf. Sie machte uns mit einem roten Handscheinwerfer ein Zeichen, und der Fahrer rief: »Das
Weitere Kostenlose Bücher