Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
beugte sich nach unten und zog seidene Skiunterwäsche - lange Unterhose, Unterhemd mit langen Ärmeln - aus der anderen Tragetasche.
Ich verbiss mir ein Lachen. Solche Unterwäsche kaufte man vielleicht vor seinem allerersten Skiurlaub - um sie dann nie zu tragen.
Tom schien ziemlich stolz auf sie zu sein. »Wie findest du die? Halten die mich warm oder was? Du solltest dir auch welche kaufen, Nick. Die Verkäuferin hat gesagt, dass sie großartig warm halten.«
Klar hatte sie das gesagt; dieses Zeug kostete bestimmt dreimal mehr als vernünftige Thermo-Unterwäsche. »Ich habe schon welche«, behauptete ich. »Aber ich wollte noch etwas anderes mit dir besprechen.«
Er packte die Unterwäsche stolz wieder ein. »Was denn?«
»Ich weiß, dass du gesagt hast, dass du dicht davor bist, aber glaubst du wirklich, dass du den Firewall bis morgen knacken kannst?«
Tom starrte mich an, als sei ich übergeschnappt. »Kein Problem. Aber du passt auf mich auf, stimmt’s? Ich meine, wenn wir dort drin sind .«
Ich spürte, dass sein zur Schau getragener Mut ihn allmählich verließ, je näher die Geisterstunde kam. Als ich ihm lächelnd zunickte, fiel mir auf, dass er besorgt über meine Schulter hinwegsah.
»Da kommt Liv.«
Ich drehte mich um und beobachtete, wie sie - noch immer in dem schwarzen Mantel und mit ihrer Tibetermütze in der Hand - nach uns Ausschau hielt. Sie sah meine erhobene Hand und kam geradewegs auf uns zu.
Sie setzte sich zu uns. »Alles in Ordnung am Bahnhof?«
Ich nickte.
»Gut. Hier sind die Schlüssel für Ihren Wagen, Nick.« Sie legte mir zwei Schlüssel mit einem Saab-Anhänger hin. »Im Handschuhfach liegen die Straßenkarten und eine detaillierte Umgebungskarte. Diese Karten sind alle unmarkiert. Für die Fahrt müssen Sie etwas über drei Stunden rechnen.«
»Wenn ich mir das Haus angesehen habe, brauche ich wahrscheinlich noch ein paar Sachen.«
»Kein Problem, solange nichts Exotisches dabei ist.« Während sie das sagte, sah sie passenderweise auf ihre Cartier-Armbanduhr.
Ich verstand den Wink und begann aufzustehen. »Ich muss los, denke ich. Ich will möglichst viel Zeit für die Erkundung haben.«
Liv stand ebenfalls auf. »Ich zeige Ihnen, wo der Wagen steht, und fahre dann mit Tom ins Haus zurück.«
Bevor wir das Kaufhaus verließen, holte Tom seine neue karierte Jacke aus der Tragetasche und zog sie über seiner Daunenjacke an. So sah er wie der perfekte Tourist aus.
Wir gingen in Richtung Hauptbahnhof zurück, und ich sah den Mercedes-Geländewagen an der gleichen Stelle wie zuvor stehen. Dahinter parkte ein blauer Saab, der wie neu glänzte.
Ich verabschiedete mich. Tom stieg vorn bei Liv ein,
und die beiden fuhren davon.
Die Fahrt zum Zielort schien länger zu dauern, als Liv gesagt hatte. Aber das kam mir vielleicht nur so vor, weil es unterwegs außer Zehntausenden von Bäumen und Granitbrocken nichts zu sehen gab. Offenbar musste ich meine Ansprüche an abwechslungsreiche Landschaftsbilder herunterschrauben.
Obwohl es erst kurz nach 15 Uhr war, begann es schon dunkel zu werden. Im Scheinwerferlicht des Saab glitzerten die hohen Schneewälle an den Straßenrändern, während ich geruhsam im Verkehrsstrom mitschwamm, der sich exakt an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit hielt. Ich schaltete ab und zu den Sendersuchlauf des Autoradios ein, aber es gab nicht viel zu hören. Europop konnte ich nicht ausstehen, und von den gesprochenen Sendungen verstand ich kein Wort.
Ich nutzte die Zeit, um über Livs Treffen auf dem Bahnhof nachzudenken, fand aber keine plausible Erklärung dafür. Also blieb mir nichts anderes übrig, als weiterzumachen: Ich würde den Auftrag ausführen, das Material Liv übergeben, das Geld kassieren und dafür sorgen, dass Tom und ich heil nach England zurückkamen. Valentin konnte mit dem beschafften Material machen, was er wollte. Sobald ich nach diesem Unternehmen wieder zu Hause landete, würde ich endlich
Herr meines Schicksals sein.
Nachdem ich die Ausfahrt Lappeenranta genommen hatte, sah ich die ersten Wegweiser nach Kuhala. Ich hielt am Straßenrand, um einen Blick auf die detailliertere Umgebungskarte zu werfen. Ich hatte noch zwölf Kilometer zu fahren, bevor ich von dieser Straße auf eine offenbar nicht asphaltierte Nebenstraße abbiegen musste. Danach musste ich den Privatweg finden, der zum Zielobjekt führte.
Ich gab wieder Gas und fuhr auf einer als Brandschutzschneise angelegten Asphaltstraße durch dichten
Weitere Kostenlose Bücher