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Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Titel: Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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die Trittschlinge zu stellen und sich hochzustemmen. Leider war er so zittrig, dass er nach links zu pendeln begann, sobald er seinen rechten Haken vom Zaun löste.
    Aber Tom gab sich große Mühe; er grunzte und
    schnaufte, während er die Kletterei in den Griff zu bekommen versuchte, und kam mit der Querung nach
    links eigenartigerweise besser zurecht. Er bewegte sich noch immer schwerfällig, aber er kam immerhin voran.
    Ich behielt das Zielobjekt im Auge, während er sich zu mir vorarbeitete.
    Ich kletterte langsam weiter, indem ich meine Haken links und rechts des massiven Stahlträgers einsetzte.
    Dann wartete ich wieder auf Tom, der jetzt weniger Lärm machte, seit er das starre Zaunfeld zwischen den Trägern erreicht hatte. Der Wind ließ meine ungeschützte Haut brennen, als ich mich dazu zwang, mich nach Tom
    umzusehen und zu kontrollieren, wie er vorankam. Ich hatte das Gefühl, der aus meiner Nase laufende Schleim 312
    friere an meiner Oberlippe fest.
    Endlos lange später befand Toms Kopf sich weniger als einen Meter unterhalb meiner Stiefel. Unter uns lag der mit einer hohen Schneeschicht bedeckte freie Streifen zwischen Zaun und Waldrand.
    Da wir nun unsere Haken links und rechts des
    Stahlträgers einsetzen konnten, kamen wir schnell und sicher voran. Wir brauchten nur noch senkrecht
    weiterzusteigen und oben über den Zaun zu klettern. Ich zog meine Haken einzeln heraus, um die Nägel zu
    kontrollieren. Sie hielten der Belastung gut stand.
    Tom kletterte, als sei dies der Mount Everest: Er war in dichte Atemdampfwolken gehüllt, während er mit weit aufgerissenem Mund keuchend Luft holte. Ich konnte mir vorstellen, dass er trotz der Kälte schwitzte, woran nicht nur der psychische Druck, sondern auch die riesigen Energiemengen schuld waren, die er nutzlos vergeudete.
    Ich setzte meine Haken ein, um in Etappen
    weiterzusteigen, gewann langsam an Höhe und wünschte mir, wir kämen rascher voran. Als ich ungefähr zwei Drittel der Gesamthöhe bewältigt hatte, sah ich wieder nach unten, um zu kontrollieren, was Tom machte.
    Er hatte sich seit dem letzten Zwischenhalt keinen Zentimeter mehr bewegt, sondern klebte förmlich am Zaun und klammerte sich verzweifelt daran fest. Ich wusste nicht, was passiert war, und konnte ihn nicht lautlos auf mich aufmerksam machen. Ich konzentrierte mich darauf, ihn durch reine Willenskraft dazu zu bringen, zu mir aufzusehen.
    Tom war zur Bewegungslosigkeit erstarrt, was bei
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    Leuten, die erstmals klettern oder sich abseilen müssen, häufig vorkommt. Mit Kraft hatte das nichts zu tun –
    jedes Kind ist kräftig genug, um zu klettern –, aber manchen Leuten versagen einfach die Beine. Das ist ein mentales Problem: Sie haben genügend Kraft und
    beherrschen die Klettertechnik, aber ihnen fehlt das Selbstvertrauen.
    Endlich sah er zu mir auf. Sein Gesichtsausdruck war nicht zu erkennen, aber ich sah, dass er den Kopf schüttelte. Aus dieser Entfernung konnte ich ihm nicht gut zureden oder Hilfestellung leisten. Scheiße, ich würde zu ihm hinuntersteigen müssen. Ich zog meinen rechten Haken heraus und begann nach links abzusteigen.
    Wenn wir so weitermachten, kamen wir nie über den Zaun.
    Als ich auf gleicher Höhe mit ihm angelangt war,
    beugte ich mich zur Seite, bis meine Lippen fast sein linkes Ohr berührten. Der Wind war stärker geworden, so dass ich lauter flüstern musste, als ich eigentlich wollte.
    »Was ist los, Kumpel?« Ich drehte meinen Kopf zur Seite, damit er mir ins Ohr flüstern konnte, und
    beobachtete das Haus, während ich auf seine Antwort wartete.
    »Ich schaff’s nicht, Nick. Ich bin erledigt.« Sein Tonfall war eine Mischung aus Schluchzen und
    Wimmern. »Ich habe Höhenangst. Das hätte ich dir
    vorher sagen sollen. Ich wollte’s dir erzählen, aber … du weißt schon.«
    Es wäre sinnlos gewesen, ihn merken zu lassen, dass ich verdammt sauer war. Manche Leute sind einfach so; 314
    es hat keinen Zweck, sie zu schütteln oder sie
    aufzufordern, sich gefälligst zusammenzureißen. Hätte er’s gekonnt, hätte er’s getan. Ich wusste, dass er diesen Zaun ebenso dringend überwinden wollte wie ich.
    »Kein Problem.«
    Er zog seinen Kopf etwas zurück, starrte mich an, nickte leicht und hoffte anscheinend, dass ich das Unternehmen abbrechen würde.
    Ich brachte meine Lippen wieder an sein Ohr. »Pass auf, ich bleibe jetzt die ganze Zeit neben dir. Du beobachtest einfach, was ich tue, und machst das
    Gleiche, okay?«
    Während ich wieder

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