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Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Titel: Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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nahm Acht die Versicherungspolice aus der Hand und steckte sie wieder ein. Jetzt wusste ich, was Liv gemeint hatte, als sie davon gesprochen hatte, Tom habe Drohungen erhalten, im Vergleich zu denen die der Briten lahm gewirkt haben mussten. Kein Wunder, dass er die Klappe gehalten und einfach seine Haftstrafe abgesessen hatte.
    Gemeinsam schleppten wir mehrere Kisten zum Auto
    hinunter und kamen dabei wieder an dem Jungen vorbei, der noch genau so an der Wand lag, wie ich ihn hingelegt hatte. Beim letzten Trip nach unten sperrte Acht die Wohnungstür ab; dann standen wir mit dem Dröhnen und Poltern der Fabrik im Hintergrund neben seinem Lada.
    Acht wollte zu Fuß weitergehen, um einen in der Nähe wohnenden Freund zu besuchen.
    Als ich mich von ihm verabschiedete, tat er mir richtig Leid. Wie die meisten seiner Landsleute war er zu einer jämmerlichen Existenz verdammt.
    »Vielen Dank, Kumpel, und ich bringe den Wagen in ungefähr zwei Tagen zurück.«
    Ich schüttelte seine kalte Hand und öffnete die
    Fahrertür, als er davonging.
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    Dann rief er mich an. »Jo, Nikolai! Hey …« Seine
    Stimme klang plötzlich weniger selbstbewusst. »Kann ich … Nimmst du mich nach England mit?«
    Ich drehte mich nicht nach ihm um; ich wollte so
    schnell wie möglich los. »Warum?«
    »Ich könnte für dich arbeiten. Mein Englisch ist cool.«
    Ich hörte ihn wieder näher kommen. »Nimm mich mit, Mann. Du wirst sehen, das wird ’ne coole Sache. Ich möchte nach England und von dort aus nach Amerika.«
    »Hör zu, ich bin bald wieder da, und dann reden wir darüber, okay?«
    »Wann?«
    »Wie ich schon gesagt habe – in zwei Tagen.«
    Er schüttelte mir mit allen Fingern, die er noch hatte, erneut die Hand. »Cool. Also, dann bis bald, Nikolai. Das wird echt cool. Ich verkaufe den Wagen und … und
    kaufe mir neue Klamotten.«
    Er hüpfte praktisch die Straße entlang, winkte mir zu und träumte schon von seinem neuen Leben, während ich dem Anlasser einen Hammerschlag versetzte, den Motor anließ, wendete und auf der Fahrt zur Hauptstraße an Acht vorbeikam.
    Ich war erst 100 Meter weit gefahren, als ich hielt und den Rückwärtsgang einlegte. Scheiße, das konnte ich nicht machen.
    Als ich neben ihm hielt und das Fenster
    herunterkurbelte, beugte er sich mit breitem Grinsen zu mir hinunter. »Was gibt’s, Mann?«
    »Tut mir Leid, Worsim, aber ich kann dich nicht …«
    Ich verbesserte mich, »… ich werde dich nicht nach 527
    England mitnehmen.«
    Er ließ die Schultern hängen und machte ein
    enttäuschtes Gesicht. »Warum nicht, Mann? Warum
    nicht? Du hast vorhin gesagt, dass du …«
    Ich kam mir wie ein Arschloch vor. »Sie lassen dich nicht rein. Als Russe bräuchtest du ein Visum, das schwer zu bekommen ist. Und selbst wenn sie dich ins Land ließen, könntest du nicht bei mir bleiben. Ich habe kein Haus und keine Arbeit, die ich dir anbieten könnte.
    Tut mir echt Leid, aber ich kann und werde dich nicht mitnehmen. Das war’s, was ich dir sagen wollte, Kumpel.
    Übermorgen bringe ich dir den Wagen zurück.«
    Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Ich kurbelte das Fenster wieder hoch und fuhr in Richtung Stadtmitte davon, damit ich mich dort orientieren und die Fernstraße Narva-Tallinn wieder finden konnte.
    Ich hätte ihn belügen können, aber ich erinnerte mich an all die Ausflüge, die meine Eltern in meiner Kindheit mit mir hatten machen wollen, an all die versprochenen Geschenke und den ganzen übrigen Scheiß, der
    versprochen, aber nie gehalten worden war. Damit hatten sie mich nur ruhig stellen wollen. Ich durfte nicht zulassen, dass Acht sich in seinen Traum von einem neuen Leben hineinsteigerte und alle Brücken hinter sich verbrannte, um dann bitter enttäuscht zu werden. Liv hatte Recht: Oft ist es besser, die Wahrheit zu sagen, wenn Leute sich verpissen sollen.

    Nachdem ich mich wieder orientiert hatte, fuhr ich nach Westen aus der Stadt. Mein nächstes Ziel war ein
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    Hotelzimmer, in dem ich all das Zeug vorbereiten konnte, das ich im Kofferraum hatte.
    Acht tat mir noch immer aufrichtig Leid – nicht weil ich ihn abgewiesen hatte, denn das war richtig gewesen, sondern weil ich wusste, was die Zukunft für ihn in petto hatte. Absolute Scheiße.
    Vor mir tauchte eine Tankstelle genau wie in Tallinn auf: sehr blau und so sauber, hell und fehl am Platz wie ein außerirdisches Raumschiff. Ich hielt an einer Zapfsäule und tankte voll. Dann stellte ich den Lada seitlich neben dem Gebäude ab und betrat

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