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Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Titel: Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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den
    Tankstellenshop, als die beiden Angestellten vermutlich gerade dachten, ich sei in dieser Nacht der erste Autofahrer, der ohne zu zahlen davonfuhr.
    Ich war ihr einziger Kunde. In einem kleinen Teil ihres Shops wurde tatsächlich Autozubehör angeboten; die restliche Verkaufsfläche war für Bier, Schokolade und Wurstwaren reserviert. Ich kaufte fünf Abschleppseile aus blauem Nylon – den gesamten Bestand –, alle acht Rollen schwarzes Isolierband im Regal und dazu eine billige Werkzeugtasche, deren Inhalt vermutlich nach dem ersten Gebrauch defekt sein würde. Außerdem legte ich eine Stabtaschenlampe mit Batterien und gesondert zwei 9-Volt-Blockbatterien in meinen Einkaufskorb. Und für mich selbst kaufte ich etwas Schokolade, fertig abgepackte Würstchen und ein paar Dosen
    Orangenlimonade.
    Der junge Mann, bei dem ich zahlte, hatte mehr Pickel im Gesicht als Gehirnzellen im Kopf. Er versuchte das Rückgeld auszurechnen, obwohl das Kassendisplay es 529
    anzeigte. Schließlich gab er mir meine Tragetaschen. Ich wollte ein paar zusätzliche Taschen und deutete auf den Stapel. »Mehr? Mehr?« Nach einigen Sekunden
    Pantomime bekam ich für ein paar Münzen ein halbes Dutzend weitere Tragetaschen.
    Dann wurde es Zeit für ein Abendessen mit Wurst und Schokolade. Ich saß im Auto, ließ den Motor laufen und stopfte mich voll, während ich auf die Fernstraße hinaussah. Auf der anderen Straßenseite bedeckte eine riesige Reklametafel die gesamte Stirnseite eines Gebäudes. Darauf grinste Mr. Bean mich wie ein
    Mormone an und demonstrierte mir die Wunder von
    Fujifilmen, während unter ihm Lastwagen vorbeiröhrten.
    Dafür hatte ich Verständnis; ich hatte es auch eilig, aus dieser Stadt herauszukommen.
    Als ich mich wieder in das Verkehrschaos stürzte, war mir leicht übel, weil ich meinen gesamten Proviant aufgegessen hatte. Ich wollte nach Voka, einer Kleinstadt an der Nordküste zwischen Narva und Kohtla Jarve, um dort mein für morgen Nachmittag geplantes
    Unternehmen vorzubereiten. Für Voka hatte ich mich nur entschieden, weil mir der Name gefiel und ich annahm, in einem Küstenort werde es leichter sein, ein Zimmer zu bekommen.
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    Voka entsprach genau meinen Erwartungen: ein kleines 530
    Seebad mit einer parallel zur Küste verlaufenden
    Hauptstraße. In Sowjetzeiten mochte Voka ein
    Luxusbadeort gewesen sein, aber was ich davon im Licht meiner Scheinwerfer und einzelner brennender
    Straßenlampen sehen konnte, wirkte sehr abgeblättert und heruntergekommen – das estnische Gegenstück zu den viktorianischen Seebädern in England, die ihr Verfallsdatum in den siebziger Jahren erreicht hatten, als alle Welt begann, Flüge nach Benidorm zu buchen. Seit die Russen vor ein paar Jahren abgezogen waren, war hier offenbar nichts mehr los. Auf der Straße war kein Mensch unterwegs; vermutlich hockten alle zu Hause und sahen sich den Schluss eines weiteren Kirk-Douglas-Films an.
    Ich fuhr langsam die Küstenstraße entlang, hatte die Ostsee links von mir und spürte, wie einzelne Windstöße den Lada schwanken ließen. In den Wohngebäuden auf der rechten Straßenseite brannte nicht viel Licht; ich sah nur gelegentlich das bläuliche Leuchten eines
    Fernsehschirms.
    Nach längerer Suche fand ich ein Hotelli mit Meerblick. Ich hielt es erst für ein dreistöckiges Apartmentgebäude, bis ich die kleine flackernde
    Leuchtschrift links neben der zweiflügligen Glastür sah.
    Als ich den Lada abschloss, brach sich die Brandung am Strand hinter mir, den ich bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, und der Wind zerrte an meiner Jacke und zerzauste mir das Haar.
    Die grellen Leuchtstoffröhren im Vorraum blendeten mich fast. Hier war es hell wie in einem Fernsehstudio –
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    und fast ebenso heiß. Irgendwo im Hintergrund plärrte ein Fernseher auf Russisch. Unterdessen war ich so weit, dass ich Estnisch und Russisch zuverlässig unterscheiden konnte.
    Ich ging den Flur entlang weiter, bis ich die
    Geräuschquelle gefunden hatte. Am Fuß einer Treppe war in Brusthöhe ein Schiebefenster in die Wand
    eingelassen. Dahinter saß eine alte Frau vor einem uralten Schwarzweißfernseher, in den sie fast
    hineinkroch.
    Ich hatte reichlich Zeit, sie zu betrachten, während ich ihre Aufmerksamkeit zu erregen versuchte. Sie trug dicke Wollstrümpfe, dazu Pantoffeln, eine grob gestrickte schwarze Wolljacke, ein bunt geblümtes Kleid und eine gehäkelte Wollmütze. Während sie fernsah, löffelte sie eine klumpige Suppe aus

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