Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Knie, steckte ihr Haar wieder hinters Ohr und sah mich ernsthaft an.
»Valentin bietet Ihnen eins Komma sieben Millionen Dollar – als Erfolgsprämie, versteht sich.« Sie hob eine Hand. »Darüber kann nicht verhandelt werden. Das ist sein Angebot: gut eine Million Pfund. Valentin will, dass Sie eine runde Summe in Ihrer eigenen Währung
bekommen. Sie sind ein Glückspilz, Nick, er mag Sie.«
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Bisher klang alles wie ein Wirklichkeit gewordener Traum. Allein das machte mich misstrauisch, aber scheiß drauf, wir redeten schließlich erst darüber. »Valentin ist mächtig genug, um sich alles, was er will, mit Gewalt zu holen. Wozu braucht er da mich?«
Sie entfernte geschickt die Preisschilder von der Strickweste und ließ sie in die Tragetasche fallen.
»Dieser Job erfordert Finesse, nicht rohe Gewalt. Wie ich schon gesagt habe, darf niemand wissen, dass Valentin diese Informationen besitzt. Er würde es jedenfalls vorziehen, sich das Material mit unorthodoxen Methoden zu beschaffen. Die Sache ist delikat, und wie sich in Helsinki gezeigt hat, sind Sie für solche Dinge
vermutlich der richtige Mann.«
Alles gut und schön, aber jetzt wurde es Zeit, ein paar Fragen zu stellen. »Was soll ich eigentlich genau beschaffen?«
Liv zog die Strickweste an, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Ich merkte, dass sie noch immer
abzuschätzen versuchte, ob ich den Anforderungen
genügte. »Das brauchen Sie nicht zu wissen, Nick.
Wichtig ist nur, dass wir der Maliskija zuvorkommen.«
»Sie meinen, dass wir’s vor der Maliskija stehlen ?«, warf ich ein.
Sie lächelte. »Nicht ›stehlen‹, sondern kopieren. He-runterladen. Ihre Aufgabe ist es, unserem Mann dort Zutritt zu verschaffen und ihn wieder herauszubringen, ohne dass jemand etwas davon merkt. Das wäre Ihr
Auftrag, wenn Sie möchten, dass ich fortfahre.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Maliskija muss der
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russische Ausdruck für ›kleinere Komplikationen‹ sein.«
Liv lächelte nochmals und ließ dabei zwischen leicht geöffneten Lippen perfekte weiße Zähne sehen. »Der Westen bezeichnet uns als Russenmafia, als seien wir eine homogene Gruppierung. Aber das sind wir nicht.
Wir bestehen aus vielen Gruppen. Die Maliskija ist eine Fraktion, und Valentin ist ihr einziger wirklicher Konkurrent. Unabhängig davon, was Sie von ihm halten, ist er ein Mann mit Visionen. Das ist die Maliskija nicht; diese Leute sind nur Gangster. Sie dürfen unter keinen Umständen an dieses Material herankommen. Das wäre eine Katastrophe für uns alle – für den Westen ebenso wie für den Osten. Mehr will ich dazu nicht sagen.
Möchten Sie, dass ich fortfahre?«
Natürlich wollte ich das. Es ist immer gut, mehr über die Leute zu wissen, gegen die man antritt. Allerdings hatte sie mir bisher nichts erzählt, was ich nicht schon von Val gehört hatte. Ich hörte aufmerksam zu, als sie mir auseinander setzte, dass das Zielgebäude noch dafür vorbereitet wurde, die ›Konkurrenzinformationen‹ zu verarbeiten, auf die Val es abgesehen hatte. Erst wenn es sechs oder sieben Tage online war, konnte ich ihren Mann dort hineinbringen, damit er das gewünschte
Material kopierte. Das Problem dabei war, dass die Maliskija den Standort des Gebäudes sehr rasch ermitteln würde, sobald es online ging.
»Es geht also darum, schneller zu sein, Nick. Ich betone nochmals: Wir müssen der Konkurrenz
zuvorkommen, aber niemand darf wissen, dass wir dieses Material haben.«
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Aus meiner Sicht war das in Ordnung. Aufträge dieser Art hatte ich seit Jahren ausgeführt – für weit weniger als 1,7 Millionen Dollar. Vielleicht war dies meine Chance, mein Leben – und Kellys Leben – endgültig auf eine gesunde finanzielle Basis zu stellen. Dann konnte ich allen den Stinkefinger zeigen, vor allem Lynn. Seit dem heutigen Gespräch mit ihm war ich echt sauer. Lynn wusste, dass ich im Gegensatz zu ihm verschont worden war, weil ich der Firma als Agent nützen konnte,
während er nur irgendein kleiner Bürokrat war. Und seit Washington wusste die Firma, dass sie mich in der Hand hatte, und ich hasste es, wenn Leute mich in der Hand hatten.
»Dass ich nach Finnland zurückkehren soll, macht mir Sorgen«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass ich dort sehr beliebt bin.«
Liv lächelte geduldig. »Dort fahndet niemand nach Ihnen, Nick. Nach Ansicht der finnischen Polizei war die Entführung eine rein russische Angelegenheit. Auch Valentin hat diese Version in seiner
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