Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Zeugenaussage bestätigt. Keine Sorge, das ist kein Thema. Müssten wir fürchten, Sie könnten verhaftet werden, hätte Valentin es nie riskiert, Ihnen diesen Auftrag anzubieten.«
Sie ließ mir Zeit, über alles nachzudenken, während sie Fusseln von ihrer neuen Strickweste zupfte. »Die anderen waren hoffentlich nicht Ihre Freunde?« Sie sah auf. »Bei der Auswahl Ihres Teams haben Sie vielleicht keine sehr glückliche Hand gehabt?«
Ich zuckte lächelnd mit den Schultern. Was hätte ich dazu sagen sollen?
144
»Das habe ich mir gedacht.« Sie rieb Daumen und
Zeigefinger gegeneinander, um die Fusseln auf den Fußboden fallen zu lassen.
In den folgenden zehn Minuten stellte ich Fragen, von denen kaum eine zufrieden stellend beantwortet wurde.
Der Auftrag, behauptete Liv, sei ganz einfach, aber mir kam er keineswegs risikoarm vor. Für meinen
Geschmack blieben zu viele Fragen unbeantwortet. Wie viele Leute waren in dem Haus? Wie war es gesichert?
Wo zum Teufel lag es überhaupt? Ich durfte nicht einmal wissen, wen ich dort einschleusen sollte. Das alles würde ich erst erfahren, wenn ich unterschrieben hatte.
Andererseits war der Unterschied zwischen 1,7 Millionen Dollar und 290 Pfund pro Tag zu groß, als dass ich ihn hätte ignorieren können.
Liv hielt mir einen zusammengefalteten Zettel hin. Ich machte fünf Schritte und nahm ihn ihr aus der Hand.
»Auf dem Zettel stehen Adresse und Telefonnummer
des Mannes, den Sie mitnehmen werden – falls Sie ihn dazu überreden können. Gelingt Ihnen das, steigt Ihr Honorar auf zwei Millionen Dollar, damit Sie ihn
bezahlen können. Nun zu einer weiteren kleinen
Komplikation: Da weder Valentin noch ich riskieren dürfen, mit dieser Sache in Verbindung gebracht zu werden, fungieren Sie als Kontaktmann. Es ist Ihre Aufgabe, ihn zum Mitmachen zu überreden.«
Ich ging zu meinem Helm zurück. Auf dem Zettel
standen eine Adresse und eine Telefonnummer in Notting Hill.
»Er heißt Tom Mancini«, sagte Liv. »Ich glaube, Sie 145
kennen ihn.«
Ich drehte mich nach ihr um. Dieser Name kam mir
bekannt vor, aber das machte mir keine Sorgen. Was mich beunruhigte, war die Tatsache, dass sie über mich Bescheid wusste, dass sie über meine Vergangenheit informiert war.
Meine Besorgnis war mir offenbar anzusehen. Liv
lächelte erneut und schüttelte ganz leicht den Kopf.
»Valentin hat sich natürlich die Mühe gemacht, in den vergangenen paar Tagen so viel wie möglich über Sie in Erfahrung zu bringen. Glauben Sie, er hätte Ihnen sonst diesen wichtigen Auftrag anvertraut?«
»Was weiß er noch alles?«
»Genug«, antwortete sie knapp. »Und auch genug über Tom. Valentin ist überzeugt, dass Sie und er die richtigen Leute für diesen Auftrag sind. Wie Sie sich denken können, Nick, ist die Sache sehr eilig. Sie müssen bis kommenden Sonntag in Helsinki eintreffen. Ich brauche nur Ihre Ankunftszeit. Um alles andere kümmere ich mich.«
Liv erklärte mir, wie ich mit ihr Verbindung
aufnehmen konnte. Das Verfahren war bei aller
Kompliziertheit einfach zu verstehen, was nur gut war, weil mir ständig 1,7 Millionen andere Dinge durch den Kopf gingen.
Sie stand auf. Unsere Besprechung war offenbar zu Ende. »Danke für Ihr Kommen, Nick.«
Ich schüttelte ihre Hand, die sich warm und fest
anfühlte. Ich sah ihr in die Augen, wahrscheinlich eine Zehntelsekunde zu lange, dann bückte ich mich nach 146
meinem Helm.
Sie begleitete mich zur Wohnungstür. Als ich nach der Türklinke griff, sagte sie: »Noch etwas, Nick.«
Ich drehte mich nach ihr um; sie stand so dicht hinter mir, dass ich ihr dezentes Parfüm riechen konnte.
»Schalten Sie Ihr Handy bitte nicht ein, bevor Sie weit von hier weg sind. Good-bye, Nick.«
Ich nickte, dann ging die Tür hinter mir zu. Ich hörte, wie die Schlösser klickten und die Sicherungskette eingehakt wurde.
Unterwegs im Aufzug widerstand ich der Versuchung, einen kleinen Freudentanz zu vollführen. Ich war nie jemand gewesen, der glückliche Zufälle unbesehen
akzeptierte – tatsächlich hatte ich dazu nie viel Gelegenheit gehabt –, aber Valentins Angebot klang ziemlich gut, und die wenigen Zweifel, die ich noch hegte, wurden durch den A 4-Umschlag in meiner
Lederjacke zerstreut – falls er sich auf der Heimfahrt nicht in Luft auflöste.
Der Lift wurde langsamer, dann öffnete sich seine Tür im Erdgeschoss. Der Portier musterte mich stirnrunzelnd, während er zu erraten versuchte, was ich so lange dort oben gemacht
Weitere Kostenlose Bücher