Nick Stone - 04 - Eingekreist
der Pizzamann und ich. Ich konnte nur hoffen, dass er dort bleiben würde.
Das Knattern der Hubschrauberrotoren schwoll zu
ohrenbetäubendem Lärm an, als die drei in die
438
JetRanger verfrachtet wurden. Die beiden Hueys hoben bereits ab. Sie senkten ihren Bug und flogen in Richtung Panama City.
Dann startete auch die JetRanger und folgte ihnen.
Einige Sekunden lang herrschte verhältnismäßige Ruhe, dann brüllte eine Stimme Befehle, die den
zurückgebliebenen Männern galten. Sie bildeten kleine Trupps, deren Auftrag leicht zu erraten war: Sie sollten mich aufspüren. Und diesmal hatte ich das Gefühl, die Verfolgung sei besser organisiert.
Ich saß auf meinem Beobachtungsposten und
überlegte, was ich als Nächstes tun sollte, während ein Geländewagen nach dem anderen mit Männern
wegfuhr, die mit M16-Sturmgewehren bewaffnet waren, und dann leer zurückkam. Ein Blick auf die Baby-G
zeigte mir, dass ich bald aufbrechen musste, wenn ich das Tageslicht voll nutzen wollte.
Freitagabend, das war mein letzter Termin gewesen.
Weshalb? Und was hatte die Firma überhaupt damit zu tun? Die Sunburn musste offenbar für morgen in Stellung sein. Ich war mit der Story von den
angeblichen Fla-Lenkwaffen getäuscht worden. Worum
es in Wirklichkeit ging, brauchte ich nicht zu wissen, denn nach dem Fehlschlag in London war meine
Entsendung nach Panama ihr letzter verzweifelter
Versuch, das komplette Waffensystem in die Hände zu bekommen.
Freitagabend. Sonnenuntergang.
Scheiße, die Ocaso …
Sie wollten das Kreuzfahrtschiff treffen, richtige
439
Menschen, Tausende von Passagieren. Hier ging es gar nicht um Drogen … worum also?
Scheiß drauf, der Grund dafür war unwichtig.
Wichtig war nur, dass der geplante Anschlag verhindert wurde.
Aber wohin sollte ich gehen? Was sollte ich mit dem anfangen, was ich zu wissen glaubte? Die panamaischen Behörden alarmieren? Was würden sie tun? Das
Auslaufen der Ocaso verhindern? Und wenn schon? Das wäre nur eine weitere vorläufige Lösung gewesen.
Konnten sie die Sunburn nicht rechtzeitig aufspüren, würde der Pizzamann das Scheißding einfach auf das
nächste vorbeifahrende Schiff abschießen. Nicht gut genug. Ich brauchte einen vernünftigen Plan.
Sollte ich mich an die US-Botschaft, an irgendeine
Botschaft wenden? Was würde sie tun – die Sache
melden? Aber wem melden? Wie lange würde es dauern, bis jemand nach dem Telefonhörer griff, um George
anzurufen? Und selbst wenn er noch so wichtig war,
mussten noch viel mächtigere Leute hinter ihm stehen.
Das stand für mich fest. Sogar C und der Jasager tanzten nach ihrer Pfeife.
Ich musste zusehen, dass ich wieder zu Carrie und
Aaron kam. Diese beiden waren die einzigen Leute, die mir helfen konnten.
Inzwischen war die Aktivität vor dem Haus
abgeklungen: keine Fahrzeuge mehr, nur noch zwei
Bewaffnete, die ums Haus patrouillierten, und von links das Arbeitsgeräusch der unsichtbaren Planierraupe, die 440
den demolierten Lexus von der Zufahrt schob.
Es war 8.43 Uhr – Zeit, meinen Beobachtungsposten
zu verlassen. Ich riss den Klettverschluss der seitlichen Hosentasche auf, zog die Landkarte heraus und beugte mich tief darüber, um den Kompass an seiner kurzen
Schnur auf ihre ausgeblichene Oberfläche legen zu
können. Dreißig Sekunden später stand meine
Marschroute fest: durch Grün, dann die weiße Linie der Ringstraße, wieder Grün, nach Clayton hinein und auf der Hauptstraße nach Panama City. Wie ich von dort
zum Haus zurückkommen würde, vermutlich per
Anhalter –, war mir noch nicht ganz klar.
Nachdem ich kontrolliert hatte, dass die Karte wieder sicher verstaut war, kletterte ich mit Rucksack und Gewehr von meinem Baum und überließ mein Versteck
den Vögeln. Sobald ich den Rucksack über die Schultern genommen und die Schnur wieder um den
Gewehrkolben gewickelt hatte, brach ich nach Osten
auf, wo die Ringstraße und Fort Clayton lagen. Ich ließ mir Zeit, konzentrierte meinen Blick und meine
Aufmerksamkeit ganz auf den grünen Wall vor mir,
behielt den Zeigefinger am Abzug meiner entsicherten Waffe und war jederzeit reaktionsbereit.
Ich hätte wieder in Kolumbien auf der Suche nach
Drogenlabors im Dschungel sein können: Ich bog das
Unterholz auseinander, statt hindurchzubrechen,
vermied Spinnweben, achtete darauf, wohin ich trat, um keinen Lärm zu machen und wenige Spuren zu
hinterlassen, blieb stehen, um zu horchen und zu
beobachten, bevor ich Senken
Weitere Kostenlose Bücher