Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nick Stone - 04 - Eingekreist

Nick Stone - 04 - Eingekreist

Titel: Nick Stone - 04 - Eingekreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy McNab
Vom Netzwerk:
entdeckt, um mir im Nacken ein paar Beulen zu verpassen, die andere ersetzten, die eben abzuschwellen begannen. Ich ließ meine Zunge über meine Zähne gleiten: Sie fühlten sich jetzt nicht nur pelzig an, sondern schienen Lammfellmäntel zu tragen. Ich überlegte mir, was ich hier zu suchen hatte. Wieso konnte ich nicht endlich zur Vernunft kommen? Warum hatte ich Michael nicht einfach erschossen und die Sache damit zu Ende gebracht?
    In dieser letzten halben Stunde, in der ich warten musste, bis der Tag anbrach und ich ins Zielgebiet vorstoßen konnte, war ich mir darüber im Klaren, dass ich mich damit selbst verarschte. Ich wusste, dass ich auf jeden Fall so gehandelt hätte. Das lag nicht nur daran, dass so viele Menschen — reale Menschen — in Lebensgefahr schwebten; Tatsache war, dass ich ausnahmsweise vielleicht das Richtige tat. Unter Umständen würde ich zuletzt sogar ein bisschen stolz auf mich sein.
    Ich zog meine Knie hoch, legte die Ellbogen als Kopfstütze darauf und rieb mein stoppeliges, verschwitztes Gesicht an den Unterarmen. Irgendwo draußen in der Dunkelheit war schwach das schnelle Wup-wup-wup einer Huey zu hören. Ich sah keine Positionslichter, aber ich hörte, dass es nur eine Maschine war. Vielleicht war Charlie noch mal im Haus gewesen. Nach allem, was er dort entdeckt hatte, würde er auf der Suche sein, aber dagegen konnte ich nichts machen. Jedenfalls würde er seine Hubschrauber vorerst die Küste nach der Sunburn absuchen, statt sie schon jetzt nach uns fahnden zu lassen.
    Unsichtbare Vögel begannen ihre Morgenlieder, während im Osten ein blassgelber Bogen Sonnenlicht über den Horizont aufstieg und einen heißen Morgen ankündigte. Ich hatte bereits meine Papiere und die Karte in die beiden Plastikbeutel gesteckt und die Beutel jeweils zugeknotet. Ich kontrollierte die Klettverschlüsse der Magazintaschen an den Gurtzeugen, damit sichergestellt war, dass sie in der nächsten Phase nicht herausfallen würden. Zuletzt überzeugte ich mich davon, dass meine Kleidung locker saß — dass nichts eingesteckt war, in dem sich Wasser ansammeln und mich behindern konnte.
    Ich löste die rückwärtigen Schnappverschlüsse der Gurtzeuge und schob ihre Enden durch den Griff des
    Benzinkanisters, bevor ich sie wieder einschnappen ließ. Die Nackengurte führte ich durch den Gewehrriemen des M-16 und schloss sie ebenfalls wieder. Aus eigener Erfahrung und den Erzählungen von Kameraden wusste ich, dass mehr Soldaten beim Schwimmen in reißenden Flüssen umkommen, als jemals bei Feuergefechten im Dschungel fallen. Deshalb wurde alles nicht an mir, sondern an dem Kanister befestigt, und deshalb hatte ich bis Tagesanbruch hier gewartet.
    Ich schleppte den ganzen Krempel zum Rand des lauwarmen, rostbraunen Wassers hinunter. Es fühlte sich gut an, als ich bis zu den Hüften hineinwatete und den Kopf eintauchte, um den Schweiß von meinem Gesicht zu spülen. Nachdem ich mich so erfrischt hatte, legte ich die drei Gurtzeuge und das M-16 auf den schwimmenden Benzinkanister, der mit der Strömung davontreiben wollte. Sie war stärker, als sie vom Ufer aus ausgesehen hatte, und frisch abgerissenes grünes Laub schoss an mir vorbei, während der Kanister, der unter seiner Last halb eingetaucht war, vor mir auf und ab tanzte. Ich legte meine Arme über das Gewehr und die Gurtzeuge und schob ihn so ins tiefere Wasser, bis meine Füße beinahe den Kontakt zum Flussbett verloren. Ich stieß mich vom Schlamm ab und ließ mich wie ein kleiner Junge mit einer Luftmatratze mit der Strömung treiben. Das Wasser trug mich mit sich, aber ich behielt Kontakt mit dem Flussbett, um nicht hilflos mitgerissen zu werden, und bewegte mich so mit Riesenschritten vorwärts, als sei ich auf dem Mond unterwegs.
    Die Holzfäller waren hier gewesen, und auf beiden Flussufern erinnerte die Landschaft an ein Schlachtfeld aus dem Ersten Weltkrieg: ein Ödland aus Schlamm und Grasbüscheln, aus dem nur vereinzelt abgestorbene Bäume aufragten.
    Weil der Bayano in Mäandern verlief, hatte ich keine Ahnung, wie lange ich brauchen würde, um seine Mündung zu erreichen. Daran ließ sich allerdings nichts mehr ändern: Ich war unterwegs.
    Nach ungefähr einer halben Stunde, in der die Sonne tief am Horizont stand, aber deutlich zu sehen war, begann auf beiden Flussufern wieder Dschungel zu wuchern, und als das Laub dichter wurde, blockte es mehr und mehr Sonnenlicht ab. Die Sonne stand noch nicht hoch genug, um in die Lücke zu

Weitere Kostenlose Bücher