Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
Ich schwöre Ihnen, Sie würden einen großen Fehler machen, ich stehe unter besonderem Schutz, ich –«
»Schnauze! Sie haben noch genau fünfzehn Sekunden Zeit. Sagen Sie mir, wo das Boot ist.« Ich steckte die Browning in meine Jeans und sah auf die Traser. »Sie haben gesehen, wie scheußlich das ist … vor allem wenn dieses Ding nicht scharf genug ist.«
Sein Blick flackerte wild. Er war nahe daran
durchzudrehen. »Ich schwöre Ihnen, ich weiß es nicht, bitte …« Plötzlich hob er die Hände, als sei ihm eine Erleuchtung gekommen. »Vielleicht ist er zum Port Vauban zurückgefahren …«
»Antibes?«
»Ja, ja. Vielleicht ist er dorthin zurückgefahren …«
Diesen Ort kannte ich. Der Port Vauban war ein großer alter Jachthafen in der Altstadt von Antibes, nur etwa zehn Autominuten von Juan-les-Pins entfernt. Ich zeigte mit dem Messer auf Fettkloß. »Warum dorthin?«
»Er ist immer dort, im Hafen, er lebt dort. Mir hat er erzählt, er würde mit diesen Kerlen drei Tage lang in Beaulieu-sur-Mer bleiben. Ich schwöre Ihnen, dass das die Wahrheit ist, ich schwör’s Ihnen …«
»Wo im Port Vauban?«
»Bei den Fischerbooten.«
Ich rechnete mir aus, er sei jetzt verängstigt genug, um die Wahrheit zu sagen. Schweiß lief ihm übers Gesicht, als er sich nach vorn beugte, nervös eine Tablette aus der Folie drückte und sie einwarf, bevor er mit dem
Verschluss der Evianflasche kämpfte. Ich beobachtete, wie er einen großen Schluck nahm. Seine Hand zitterte so heftig, dass er einen Schuss Wasser über sein
Stoppelkinn bekam. Er spielte mit der Folienpackung, als überlege er, ob er eine zweite Tablette einwerfen sollte.
»Läuft alles andere weiter nach Plan?«
Fettkloß sah zu mir auf, und seine Stimme zitterte wie sein ganzer Körper. »Ja, ja, alles, es gibt keine Änderung.
Ich weiß nicht, warum die Jacht nicht mehr dort liegt. Ich habe nicht mehr mit Jonathan gesprochen, seit er am Mittwoch mit den Geldeintreibern aus Marseille
zurückgekommen ist. Er hat für ein paar Stunden den Port Vauban angelaufen, um sich mit mir zu treffen und zu versuchen, sie zu überreden, dort zu bleiben. Bei dieser Gelegenheit habe ich die Adressen der Hawallada erfahren. Sie müssen mir glauben! Liegt die Neunter Mai nicht mehr in Beaulieu-sur-Mer, ist sie im Port Vauban –
bei den Fischerbooten. Jonathan ist nicht der Typ, der jemanden im Stich lässt. Er muss gute Gründe gehabt haben, diesen Hafen zu verlassen.«
Ich sah auf den Scheiß auf seinem Tisch hinunter.
Fettkloß wusste genau, was ich dabei dachte.
»Sie sind angewidert. Alles, was ich tue, widert Sie an.« Er deutete mit der Tablettenpackung in seiner Hand auf die Spritze. »Sie glauben, dass das Heroin ist – oder vielleicht ein kleiner Cocktail, irgendwas in der Art?« Er hielt mit zitternden Fingern eine weitere Tablette hoch, die er eben aus der Packung gedrückt hatte. »Dies, mein Freund, ist Saquinavir, ein Mittel gegen Retroviren …«
Sein ganzes Benehmen hatte sich verändert. Ich wusste nicht, ob ihm plötzlich alles scheißegal war oder ob er wegen der Medikamente, die er einnahm, nicht mehr ganz richtig tickte. Er steckte die Tablette in den Mund, trank aber kein Wasser nach. Sie klapperte an seinen Zähnen, als er weitersprach. »Wie die Zeiten sich geändert haben! Dieses Zeug nehme ich, um hoffentlich noch ein bisschen länger leben zu können. Und die Spritzen, die helfen gegen meine Schmerzen. Das sind die einzigen Drogen, die Jonathan und ich heutzutage nehmen.«
Er kippte sich den Rest Evian in den Mund und übers Kinn, bevor er sich in seine Schlafhaltung auf dem Sofa zurücksinken ließ.
»Die Polizei war in Beaulieu-sur-Mer. Sie hat die Neunter Mai beobachtet, bevor sie verschwunden ist.«
Er lächelte schwach und bewegte den Kopf, um es auf dem Kaschmirpullover bequemer zu haben. »Er hat den beiden gesagt, er wolle lieber im Port Vauban bleiben –
das hat er mir beim Abendessen erzählt –, aber sie haben darauf bestanden, deshalb …« Fettkloß zuckte mit der sichtbaren Schulter. »Er ist mein Freund, ich kenne ihn.
Er muss heimgefahren sein, damit alles normaler
aussieht. Ja, so war’s bestimmt. Seine Jacht ist
beobachtet worden, weil sie nur eine so kurze Reise gemacht hat. Die Polizei weiß über solche Dinge
Bescheid, sie kennt Jonathans Boot. Aber von den beiden Kerlen hat sie nichts gewusst.«
Er lächelte erneut und rieb sich wie ein kleines Kind die Augen.
Vermutlich hatte er Recht.
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