Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
Licht der Hafenbeleuchtung ein Wald aus Bootsmasten auf. Links von mir lag ein Parkplatz, der sich etwa zweihundert Meter weit bis zum Ende der Stadtmauer hinzog. Rechts führte die Mauer weiter, und ich sah lange Reihen von kleinen Fischerbooten an ihren Liegeplätzen. Hinter ihnen warteten leere Verkaufsstände auf den
morgendlichen Fang. Hatte Fettkloß Recht, lag die Neunter Mai irgendwo in diesem Arme-Leute-Viertel zwischen den Fischerbooten.
Auf dem Parkplatz stand kein einziges Auto, nicht mal ein VW-Campingbus. Den hatte ich allerdings auch nicht zu sehen erwartet; falls die Polizei hier war, würde sie nicht wieder dasselbe Fahrzeug benutzen. Ohne mein Tempo zu verringern, las ich im Vorbeifahren die
Öffnungszeiten des Parkplatzes, bevor ich nach links abbog, in die Altstadt zurückfuhr und den Mégane bei erster Gelegenheit parkte.
Überwachten die Franzosen die Neunter Mai , würden sie auf mich aufmerksam werden, wenn ich auf dem
Parkplatz stand. Wie bei den Romeos wollte ich immer hinter ihnen sein, mich aus ihrem Blickfeld heraushalten.
Nach dem Fiasko mit den Überwachern in BSM hatte ich Mütze und Jacke im Kofferraum verstaut, etwas Toilette gemacht und das weite grüne Sweatshirt angezogen, das ich gestern vor dem flüchtigen Kontakt mit Thackery im Cap 3000 gekauft hatte.
Vor dem Aussteigen kontrollierte ich zum x-ten Mal Pistole und Bauchtasche, bevor ich der Mauer auf der Stadtseite in Richtung Hafen folgte. Rechts von mir hatte ich eine Kette von kleinen Restaurants und Cafés im Schatten der massiven Blöcke aus Granit oder welcher Stein das auch sein mochte. Jetzt waren sie natürlich geschlossen und hatten ihr Gehsteigmobiliar aufgestapelt und mit Ketten und Vorhängeschlössern gesichert.
Ich ging am Tor vorbei zu der auf die Stadtmauer hinaufführenden Steintreppe, um einen besseren Überblick über den Fischereihafen zu bekommen.
Nach einem schmalen Durchgang zwischen der
Stadtmauer und einer geschlossenen Bar kam ich auf einen kleinen gepflasterten, mit Bäumen bestandenen Platz, der schon auf unzähligen Ansichtskarten verewigt worden war. Am Fuß der Treppe sah ich zum Himmel
auf. Die Wolken waren abgezogen, und die Sterne taten ihr Bestes, um gegen den Lichterglanz von Stadt und Hafen zu bestehen.
Drei bis vier Stufen unterhalb der Mauerkrone machte ich Halt, um mir die Anlage anzusehen. Auf beiden Seiten verlief eine gut einen Meter hohe Brustwehr, die einst rings um die ganze Stadt geführt haben musste. Ihre Zinnen waren jetzt zugemauert, sodass hier eine ziemlich große Aussichtsplattform entstanden war. Links war das Mauerstück über dem Torbogen durch ein rostiges
schmiedeeisernes Gitter abgesperrt, und rechts gab es einen kleinen Parkplatz. Wie Autos dort hinaufkamen, war mir schleierhaft, aber ich sah drei anscheinend leere Autos und einen Renault-Van. Der dunkelgraue Van war so geparkt, dass er mit dem Heck zur Brüstung stand.
Sein Heckfenster blickte über den Hafen hinaus.
Ich ging ein paar Stufen hinunter, bis ich im toten Winkel war, und setzte mich auf die Treppe. Irgendwo begann ein Hund zu bellen, und ein Moped schepperte übers Pflaster des kleinen Platzes.
Es gab nur eine Möglichkeit festzustellen, ob der Van besetzt war oder nicht. Ich stand auf und stieg zur Aussichtsplattform hinauf. Der Van hatte auf der
Beifahrerseite eine Schiebetür, deshalb blieb ich für den Fall, dass sie plötzlich aufging und den Blick auf eine schmuddelige Frau mit kurzen Haaren und feuchter
Lederjacke freigab, auf seiner linken Seite.
Als ich näher herankam, sah ich, dass die Vordersitze vom Wageninneren abgetrennt waren. Ich hätte erwartet, alte Zeitungen und leere Getränkedosen, vielleicht sogar einen Luftverbesserer am Innenspiegel baumeln zu
sehen, aber der Van war klinisch sauber.
Ich schob mich auf seiner linken glatten Seite
zwischen den Van und einen BMW, blieb unbeweglich stehen und wandte wieder meinen Trick mit dem offenen Mund an, um Störgeräusche möglichst auszuschalten.
Der Hund kläffte erneut los. Ich wartete geduldig weiter, ungefähr drei bis vier Minuten, bis eine
Bewegung wahrnehmbar war. Die Karosserie knarzte
kaum hörbar – vermutlich, weil sich jemand im
Wageninneren bewegte –, aber jedenfalls genug, um mir zu zeigen, dass der Van mit Leuten besetzt war.
Ich trat etwas weiter auf die Brüstung zu, aber nicht so weit, dass ich durch die hinteren Fenster des Renault zu sehen gewesen wäre, und blickte auf den Fischereihafen
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