Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
dem achtzehnjährigen Teamchef
zusammenstauchen ließ, sei vielleicht doch nichts für mich. Irgendwie war ich bisher nicht dazugekommen, ihr zu erzählen, dass ich die Schule als Fünfzehnjähriger abgebrochen hatte, sodass ihr College mich
wahrscheinlich nicht mal als Hausmeister und erst recht nicht als Studenten aufgenommen hätte.
Mir war peinlich bewusst, dass es alle möglichen
Dinge gab, die ich Carrie bisher verschwiegen hatte. Zum Beispiel auch meinen kleinen Trip nach Algerien. Dabei ging es nicht um den Auftrag, über den ich ohnehin eisern geschwiegen hätte, sondern um die Tatsache, dass ich ihr versprochen hatte, nie wieder Schmutzarbeit anzunehmen. Aber der Belohnung, mit der George mich geködert hatte, hatte ich nicht widerstehen können: Als amerikanischer Staatsbürger würde ich in Zukunft jede Arbeit annehmen können, die mir gefiel. Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob Carrie die Methode hinter dem Wahnsinn akzeptiert hätte.
Ihr hatte ich erzählt, ich hätte ein Angebot erhalten, eine amerikanische Reisegruppe drei Wochen lang durch Ägypten zu begleiten. Seit den Anschlägen vom 11.
September war der Nahosttourismus praktisch zum
Erliegen gekommen, und die wenigen Touristen, die noch den Mut hatten, dorthin zu reisen, wollten
jemanden, der auf sie aufpasste. Carrie stimmte mir zu, es sei eine gute Idee, etwas Geld zu verdienen, bevor ich mich auf das langwierige Verfahren zur Erlangung der US-Staatsbürgerschaft einließ. Bis ich sie erhielt, konnte ich nur einfache Arbeit annehmen, sodass ich damit rechnen musste, ständig in Geldnöten zu sein. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihr erklären sollte, dass mein Einbürgerungsantrag so schnell bewilligt worden war, aber dieses Problem würde ich lösen, wenn es so weit war. Jetzt saß ich da und sah in den trüben grauen Tag hinaus, während draußen dick bereifte Bäume
vorbeiflitzten und die wenigen Autos weißliche
Auspuffschwaden ausstießen. Alles nicht gerade ein verheißungsvoller Anfang für unsere gemeinsame
Zukunft, aber das ließ sich nicht mehr ändern. Ich musste einfach nach vorn blicken.
Nach zweitägiger Schleichfahrt neunzig Meter unter dem Spiegel des Mittelmeers waren wir der Küste
Nordafrikas folgend endlich wieder in Alexandria
eingelaufen. Wie vorhergesagt, war das Wetter ungefähr zehn Stunden nach unserem Anbordgehen umgeschlagen, aber davon hatten wir so tief unter dem Meeresspiegel natürlich nichts mitbekommen. Am Pier wartete ein Chrysler Voyager auf uns; irgendjemand schnappte sich meinen Rucksack, und ich bekam ihn nie wieder zu
sehen. In der folgenden Woche brauchte ich nur in einem Hotelzimmer in Kairo abzuwarten, bis die Bestätigung kam, dass es sich bei dem Kopf, den ich mitgebracht hatte, tatsächlich um Zeraldas Schädel handelte. Sonst wären wir vermutlich zurückgeschickt worden, um den richtigen Kopf zu holen.
Ich wusste noch immer nicht, weshalb ich den Auftrag gehabt hatte, Zeraldas Schädel mitzubringen, und das war mir weiterhin egal. Wichtig war nur, dass George in ein paar Tagen nach Boston kommen und mir Nick Stones druckfrischen US-Reisepass, Sozialversicherungsausweis und in Massachusetts ausgestellten Führerschein
aushändigen würde. Ich war kurz davor, ein real
existierender Mensch zu werden.
Ich sah mich in dem Zug um. Den meisten meiner
Mitreisenden war es inzwischen zu langweilig geworden, den Idioten anzustarren, der sich ohne Wasser die Zähne putzte und den Schaum hinunterschluckte, und sie waren wieder in ihre Zeitungen vertieft. Afghanistan
beherrschte die Schlagzeilen, die übereinstimmend berichteten, der Krieg komme gut und mit minimalen Verlusten voran. Kämpfer der Nordallianz waren als Silhouetten vor der untergehenden Sonne abgebildet, wie sie Soldaten der U.S. Special Forces beobachteten, deren mitgeschleppte Ausrüstung einen Lastesel überfordert hätte.
Ich kaute auf meiner Zahnbürste herum und sah dabei aus dem Fenster. Rechts neben mir verlief parallel zu den Gleisen die ebenfalls durchs gefrorene Marschland führende Küstenstraße. Wir überholten ein Taxi, dessen Seitenfenster mit patriotischen Aufklebern geschmückt waren; an der Antenne hing sogar ein kleines
Sternenbanner. Ich konnte den Fahrer nicht sehen, wusste aber, dass er Inder oder Pakistaner sein musste. Diese Leute wollten in den jetzigen unruhigen Zeiten nichts dem Zufall überlassen.
Das Marschland blieb zurück, und auf beiden Seiten der Strecke tauchten weiß gestrichene
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