Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
Mittelalter zu tun hat, aber es enthält viel über Schiffe aus Neuengland, die auf der Reise nach London gekapert wurden. Ich hab gewusst, dass es dir gefallen würde. Und außerdem soll es dich an alles erinnern, womit ich dich vorhin
gelangweilt habe.«
Ich klappte das Buch zu. »Du hast mich nicht
gelangweilt. Ich habe jedes Wort genossen.«
Wir gingen zum Auto zurück und fuhren in die
Gregory Street. Das Haus aus dem Jahr 1824 befand sich seit Generationen im Familienbesitz. Es war ursprünglich nur eine Fischerkate mit Meerblick gewesen, aber
zahlreiche Um- und Anbauten, vermutlich in dem
Goldenen Zeitalter, von dem Carrie erzählt hatte, hatten sie in ein geräumiges Familienheim verwandelt. Über der Haustür war als Willkommensgruß eine hölzerne Ananas angenagelt. In dieser Gegend waren sie sehr häufig zu sehen. Vor ein paar Jahrhunderten hatten Seeleute nach ihrer Heimkehr von langen Reisen eine Ananas vor die Haustür gestellt, um zu zeigen, dass sie wieder zu Hause waren und sich über Besuch freuen würden.
Normalerweise hätte ich irgendeine flapsige Bemerkung darüber gemacht, aber die sparte ich mir heute lieber.
Sie bog von der Straße auf die Einfahrt ab und hielt auf den weißen Taurus zu, der vor dem Anbau neben meinem unter einer Plane abgestellten Yamaha-600-Motorrad parkte.
Carrie schien sich keine Sorgen wegen des Wagens zu machen. »Ich dachte, Mom hätte erst am Wochenende wieder Gäste. Schön, dann sehe ich gleich mal nach, ob sie daran gedacht hat, ihnen Plätzchen und eine
Thermoskanne Kaffee hinzustellen. Unsere Gäste sollen sich wohl fühlen!«
Als wir näher kamen, sah ich, dass der Wagen in
Massachusetts zugelassen war. Der Taurus war so sauber und steril, dass er ein Leihwagen sein musste.
Carrie parkte neben dem unbekannten Wagen, und wir stiegen aus. Sie warf mir ihre Schlüssel übers Autodach hinweg zu. »Willst du nicht schon mal unter die Dusche gehen? Ich bin gleich wieder da. Und vergiss nicht, dich zu rasieren. Du hast einiges nachzuholen.« Sie nickte lächelnd zum Anbau hinüber. »Also los!«
Während sie aufgeregt zum Eingang des Haupthauses lief, betrat ich den Anbau. Er war riesig, viel größer als das letzte Haus, in dem ich gewohnt hatte, und
geschmackvoll mit dunklen alten Möbeln eingerichtet, die seit Generationen in der Familie waren. Ich hatte immer das Gefühl, im nächsten Augenblick könnte ein Fotograf von Homes and Gardens aufkreuzen, um mich in entspannter Haltung am Kaminfeuer zu fotografieren.
Ich breitete mich jedoch nicht zu sehr aus. Ich besaß nicht viel, das ich hätte ausbreiten können.
Mit den Vorbereitungen für meine Rückkehr hatte
Carrie sich große Mühe gegeben. Ich sah Blumen, und auf dem Kaminsims stand eine Flasche Champagner. An der Flasche lehnte eine schlichte weiße Briefkarte, auf der ich in Carries charakteristisch großer und deutlicher Handschrift Willkommen daheim! las.
Ich stellte meine Reisetasche im Schlafzimmer ab, ging nach nebenan ins Bad und ließ die Dusche schon mal laufen, während ich mich auszog. Während das heiße Wasser über meinen Körper lief, tat ich etwas, das ich schon länger nicht mehr getan hatte. Ich fing an, ernsthaft über die Zukunft nachzudenken.
Ich machte mich mit Seife und Rasierer ans Werk,
bevor ich aus der Dusche trat, um mich mit einem
fiauschigen weißen Badetuch abzutrocknen.
Dann hörte ich die Eingangstür ins Schloss fallen. »Ich bin hier drinnen …«
Die Schlafzimmertür öffnete sich, und Carrie, der Tränen übers gerötete Gesicht liefen, erschien auf der Schwelle.
Ich hatte ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache, und es hing mit dem in Massachusetts zugelassenen weißen Taurus zusammen. »Carrie?«
Ihre grünen Augen, deren Lider so rot wie ihr
verweintes Gesicht waren, starrten mich an, als ich auf sie zutrat, um sie zu trösten.
»George ist hier. Sag mir, dass seine Behauptungen Lügen sind, Nick.« Ich musste wegsehen, als sie mich weiter forschend anstarrte.
»Was behauptet er denn?«
»Dass du für ihn gearbeitet hast.«
»Carrie, komm und setz dich hin –«
»Ich will mich nicht hinsetzen!«
»Ich muss dir etwas erzählen.«
»Dann erzähl’s mir, bevor ich durchdrehe«, erwiderte sie, und ich konnte hören, dass sie kurz davor war, die Selbstbeherrschung zu verlieren. »Was willst du mir also erzählen? Warum sagst du nicht einfach, dass mein Vater lügt?«
»So einfach ist die Sache nicht«, antwortete ich.
»Sie ist einfach!
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