Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
mit braunen Lederbesätzen auf den Ellbogen, ein weißes Hemd mit
Buttondownkragen und dazu eine braune Krawatte. Seit dem 11. September war nur eine Kleinigkeit
dazugekommen: Am rechten Revers trug er jetzt einen Button mit dem Sternenbanner. Aber wer trug heutzutage keinen?
Schließlich sah er auf. »Sie hat Ihnen nicht mal Zeit gelassen, sich die Haare zu fönen.« Während er das gerahmte Foto vorsichtig auf die Tischplatte legte, erschien auf seinem Gesicht die Andeutung eines
Lächelns, als er daran dachte, wie seine Tochter mich fertig gemacht hatte. »Ich habe Ihnen sogar einen Gefallen getan, mein Junge. Irgendwann hätte sie’s doch erfahren müssen. Und ich bin zufällig der Meinung, dass sie ein Anrecht darauf hat.« Er bückte sich nach der Ledermappe, die neben seinen Füßen stand. »Vielleicht hilft Ihnen das hier weiter. Mit den besten Empfehlungen der US-Regierung.«
Er stand auf, trat an die Kaffeemaschine und goss einen Becher voll, während ich mich ihm gegenüber an den Tisch setzte und den Reißverschluss der Ledermappe aufzog. »Jedenfalls haben Sie nichts Schlechtes getan und absolut keinen Grund, sich wegen irgendwas zu schämen.« Er drehte sich um und deutete auf den
Kaffeebecher in seiner Hand. Ich nickte widerstrebend.
Da Carries Mutter ausflippen würde, wenn das Holz Flecken bekam, nahm ich zwei Untersetzer in
Ananasform von dem Stapel in der Tischmitte, während George fortfuhr – jetzt wieder mit dem Rücken zu mir.
»Dies ist kein Krieg unserer Wahl wie in Vietnam oder im Kosovo. Dieser Krieg wurde uns aufgezwungen. Wir führen ihn in unserem eigenen Hinterhof, Nick. Carrie sollte stolz auf Sie sein.«
Ich sah in die Mappe und stellte fest, dass sie meinen Reisepass, den Führerschein und weitere Dokumente enthielt. »Das alles hätte warten können, George.«
»Was Sie dort drüben für uns getan haben, musste
getan werden, Nick. Dies ist nicht der rechte Zeitpunkt, um der Welt zu beweisen, dass wir nette Kerle sind. Die gegenwärtige Völkerverständigungsmasche, jeder
Schüler soll einen muslimischen Brieffreund haben, dieser ganze Kram ist Unsinn. Dies ist keine Zeit für Umarmungen, dies ist eine Zeit, in der wir gefürchtet werden müssen.«
Ich blätterte in dem Pass und stellte fest, dass hier etwas faul war, sogar oberfaul. Dies waren nicht Nick Stones Papiere; sie gehörten jemandem, der Nick Scott hieß und mein Gesicht hatte. Ich hob ruckartig den Kopf.
George war noch damit beschäftigt, Sahne in den Kaffee zu gießen. »Ich wollte keinen neuen Namen, ich wollte meinen alten wiederhaben.«
Er kam an den Tisch zurück, setzte sich, schob mir einen Kaffeebecher hin und wischte dann mit der
Rechten meinen Einwand beiseite. Den anderen Becher behielt er in seiner riesigen Linken, an deren Ringfinger sein Veteranenring mit einem in Onyx geschnittenen Siegel glänzte. Er kostete einen Schluck – noch zu heiß, also kam der Becher auf den Untersetzer. »Wissen Sie, dass es in Algerien letzte Woche bei
Überschwemmungen über sechshundert Tote gegeben
hat? Sie können von Glück sagen, dass Sie noch vor den Unwettern im Land waren.«
Ich legte meine Hände um den Kaffeebecher und
spürte die Wärme. »Ja, davon habe ich gehört«, murmelte ich.
»Wissen Sie auch, weshalb? Weil die
Straßenentwässerung blockiert war, um zu verhindern, dass Terroristen unter der Straße Bomben anbringen und damit Leute in die Luft sprengen. Eigentlich eine Ironie des Schicksals, finden Sie nicht auch?«
Ich wusste nicht, worauf dieses Gespräch abzielte, aber ich hatte kein gutes Gefühl dabei. Ich wollte nur hier raus und mich auf die Suche nach Carrie machen.
»Wissen Sie, welchen Auftrag ich heute habe, Nick?
Ich soll dafür sorgen, dass wir unsere Kanalisation nicht blockieren müssen. Sie haben mir geholfen, das zu erreichen, und ich möchte Ihnen heute als Erstes dafür danken.«
Allmählich machte ich mir wirklich Sorgen. Ich hob den Becher mit der trüben Brühe, die nicht genug Sahne enthielt, an die Lippen und nahm einen kleinen Schluck.
»Diesen Krieg haben wir jahrelang mit gefesselten Händen führen müssen. Jetzt suchen die Leute
Sündenböcke, weil Amerika sich nicht mehr sicher fühlt.
Amerika sagt: ›Die Regierung hätte es wissen müssen, die CIA hätte es wissen müssen, das Militär hätte es wissen müssen. Dreißig Milliarden unserer Steuerdollars für die Geheimdienste – wieso hat’s dann niemand
gewusst?‹« Er machte eine Pause,
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