Nick Stone - 05 - Tödlicher Einsatz
Welt deshalb so voller
Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Mitleid?«
»Wie ich sehe, hast du den Artikel gründlich gelesen, nicht wahr?« Er drehte sich nicht wieder nach mir um, aber ich sah sein verschwommenes Spiegelbild auf dem Bildschirm. »Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Mitleid wären ideal, findest du nicht auch? Aber wenn ich an Leute wie die Al-Qaida-Aktivisten in Amerika denke, die meine Religion als Vehikel für ihren egoistischen Zorn missbrauchen, sehe ich keine Gerechtigkeit und finde es schwierig, Barmherzigkeit und Mitleid zu empfinden.
Allah hat mir jedoch geholfen, diese Dinge zu
überwinden. Diese Leute, diese Aktivisten, nennen sich Muslims, aber sie sind nicht wirklich welche. Indem sie ihre Untaten als den Willen Allahs ausgeben, verüben sie Schirk , die schwerste aller Sünden. Deshalb ist es meine Pflicht als gläubiger Muslim, der Allah wahrhaft ergeben ist, diese Leute, die in seinem Namen sündigen, zu seinen Engeln zu schicken, damit das Buch ihres Schicksals gewogen werden kann.«
Ich fand, George und er sollten sich mal bei einer Tasse Kaffee zusammensetzen. Sie hätten viel
miteinander zu reden gehabt.
»In den kommenden Tagen wird Allah entscheiden,
was mit ihnen geschehen soll. Er entscheidet alles, auch unser aller Schicksal.«
»Das ist Kismet, nicht wahr?«
Er wandte sich mir wieder zu, während draußen ein Wagen mit defektem Auspuff vorbeiröhrte. »Was weißt du von Kismet, Nick?«
»Nicht viel.« Ich grinste. »In meiner Jugend habe ich den Film gesehen. Mit Unmengen deiner Leute, die auf fliegenden Teppichen herumgeflitzt sind. Solches Zeug.«
»Du reißt Witze, um alle möglichen Dinge zu
verbergen^ nicht wahr?«
Ich zuckte mit den Schultern, verkniff mir eine weitere dämliche Bemerkung.
»Kismet, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Mitleid.
Seit unserem letzten Gespräch hast du offenbar etwas mehr gelesen als nur diesen Zeitungsartikel, nicht wahr?
Hier ist noch etwas, worüber du nachdenken solltest.« Er wandte sich wieder dem Fernseher zu, ließ sich auf die Fersen nieder und wiegte sich leicht, um eine bequeme Haltung einzunehmen. Mit seiner Duschhaube sah er absolut lächerlich aus, aber er sprach so würdevoll, dass ich gespannt zuhörte. »Im achtundachtzigsten Vers der achtundzwanzigsten Sure sagt der Koran: ›Und rufe neben Allah zu keinem anderen Gott. Es gibt keinen Gott außer ihm.‹
Wo haben wir diese Worte schon einmal gehört? Die Bibel und der Koran klingen gleich, sie sind auch in vieler Beziehung gleich, nur dass die Bibel Geschichten über unseren Gott enthält, die viele Leute teils Hunderte von Jahren später niedergeschrieben haben, während der Koran Gottes eigene Worte enthält, wie er sie dem Propheten verkündet hat. Deshalb ist jeder fünfte Mensch auf diesem Planeten ein Muslim, Nick. Wir fühlen uns Gott näher.«
Ich stieß mich von der Wand ab. »Nun, dann bitte ihn, an diesem Wochenende auf uns aufzupassen, ja? Unter Umständen können wir etwas Hilfe brauchen.«
»Natürlich. Aber du weißt, dass die wahren Gläubigen zuletzt immer über die Ungläubigen triumphieren.
Vielleicht kannst du eines Tages selbst ein gutes Wort bei ihm einlegen.«
18
Ich ging in die Küche hinaus. Hubba-Hubbas geblümte Gummihandschuhe steckten tief in Spülmittelschaum, während er unser Kaffeegeschirr abwusch. »Wir sehen uns dann unten.«
Er nickte, während er sich über einen hartnäckigen Kaffeefleck hermachte. Sein Tantchen wäre stolz auf ihn gewesen. Aus dem Wohnzimmer drang das Murmeln von Loftis betender Stimme herüber, als ich die Falltür hochhob und die Leiter in die moderige Kühle des
Kellers hinunterstieg. Er war nicht besonders groß, vielleicht drei mal vier Meter, aber hoch genug, dass man darin stehen konnte. In der hintersten Ecke lag auf einer kratzigen grünen Wolldecke unsere gesamte Ausrüstung in mustergültig geraden Reihen.
Hubba-Hubba führte erteilte Befehle wirklich
genauestens aus. In parallel zur Vorderkante der
Wolldecke ausgerichteten Reihen lagen hier die
Funkgeräte, unsere Ferngläser und die Spritzbestecke, die wir brauchen würden, um die Hawallada außer Gefecht zu setzen.
Ich kniete im Staub auf dem Steinboden nieder und kontrollierte als Erstes die Funkgeräte. Es waren kleine gelbe Walkie-Talkies von Sony, wie sie Eltern
verwendeten, um auf Skipisten oder in Einkaufszentren mit ihren Kindern in Verbindung zu bleiben. Jeder von uns hatte zwei davon – eines am Mann, das andere als
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