Nick Stone 05 - Tödlicher Einsatz
nahm meinen Rucksack wieder auf den Rücken und hörte das Brausen, als die brennbare Flüssigkeit im Raum nebenan in Brand geriet. Lofti spurtete an mir vorbei auf den Innenhof hinaus. Ich folgte ihm, während Hubba-Hubba das Schlafzimmer in einen Hochofen verwandelte.
Für den nächsten Abschnitt des Unternehmens gab es keine großartige Planung - wir wollten nur zum Schlauchboot hinunterrennen und aufs Meer hinausfahren, um an Bord des U-Boots genommen zu werden, auf dem uns klebrig süßer schwarzer Tee und benommen machende Dieseldämpfe erwarteten.
Als ich durchs Tor in der Umfassungsmauer spurtete, sah ich das brennende Öl genau nach Drehbuch aus der
Bresche in der Schutzwanne und über das leicht abfallende Gelände laufen. Der Himmel leuchtete hell orangerot. Nach all dem Training, nach all den Übungen sah es einfach nur schön aus. Ich stand scheinbar endlos da und beobachtete fasziniert die lodernden Flammen, deren Hitze mir leicht die Haut versengte. Mir tat es beinahe Leid, dass wir den besten Teil nicht mitbekommen würden. Wenn der feurige Strom sich unter die Tanklaster ergoss, würden auch sie bald hochgehen - mit etwas Glück ziemlich genau beim Eintreffen der Polizei.
Lofti stieß mich an, und unsere Schatten folgten uns, bis wir über die Felskante hinuntergeklettert waren. Sobald wir wieder Sand unter den Füßen hatten, brauchten wir uns nur nach rechts zu wenden und dem abfallenden Gelände zu dem Zodiac zu folgen.
Als ich hügelab weiterhastete, empfand ich nichts als Jubel. Endlich hatte ich mir meine US-Staatsbürgerschaft verdient - und das Recht auf ein völlig neues Leben.
5
FREITAG, 16. NOVEMBER, 11.56 UHR
Ich saß in dem T, einem modernen Aluminiumzug für Pendler, mit dem ich vom Logan Airport nach Boston gefahren war und der mich nach kurzem Umsteigen jetzt nach Norden in Richtung Wonderland brachte.
Der Name Wonderland klang in meinen Ohren immer nach einem glitzernden Einkaufszentrum; tatsächlich war der Ort nur der Anlaufpunkt für Leute aus den nördlichen Vororten, die mit dem Zug nach Boston wollten. Aber heute hätte kein Zielbahnhof passender benannt sein können. Carrie hatte an diesem Vormittag Vorlesungen am MIT gehabt, deshalb holte sie mich nicht vom Flughafen, sondern hier ab, um dann mit mir zum Haus ihrer Mutter in Marblehead, einer kleinen Stadt an der Küste ungefähr zwanzig Meilen weiter nördlich, zu fahren. Ihre Mutter hatte uns den »Grandma-Anbau« zur Verfügung gestellt, während sie im Haupthaus weiter Zimmer mit Frühstück an Touristen vermietete. Dort wohnten Carrie und ich allein, seit Luz jetzt die High School in Cambridge besuchte. Für mich war dies mein Heim, und es war lange her, dass ich mich irgendwo auf der Welt heimisch gefühlt hatte.
Die anderen Fahrgäste starrten mich an, als sei ich soeben aus der hiesigen Klapsmühle entsprungen. Nach zweitägiger Rückreise aus Ägypten war meine Haut fettig, meine Augen brannten, und ich roch nicht gerade
appetitlich. Als eine Art Schadensbegrenzung putzte ich mir vor der Begegnung mit Carrie die Zähne und schluckte die schäumende Creme hinunter, während ich aus dem Fenster sah. Das würde mich nicht in Brad Pitt am Abend der Oscar-Verleihung verwandeln, aber mehr konnte ich im Augenblick nicht für mich tun.
Ich griff nach der Nylonreisetasche vor meinen Füßen und stellte sie auf den Sitz neben mich. Bevor sie mich abholte, musste ich nochmals kontrollieren, ob die Tasche wirklich nichts enthielt, was mich mit dem Job in Algerien in Verbindung bringen konnte. Meine Hand glitt übers glatte Rund der Schneekugel mit den Pyramiden hinweg, die ich ihr in Kairo auf dem Flughafen gekauft hatte, und berührte die harte Kante des kleinen Fotoalbums, das sie mir für die Zeit meiner Abwesenheit geliehen hatte. »Blätterst du’s nicht jeden Tag durch und hast dabei liebe Gedanken, Nick Stone«, hatte sie gesagt, »brauchst du nicht mal daran zu denken, hierher zurückzukommen.«
Ich schlug es auf und spürte, dass ich unwillkürlich lächeln musste - wie immer, wenn ich sie sah. Sie stand zu Anfang meiner Besichtigungstour, die mich mit amerikanischen Traditionen und Überlieferungen vertraut machen sollte, vor der Abbot Hall auf dem Washington Square in Marblehead. In der Abbot Hall hing das berühmte Gemälde The Spirit of ‘76, das einen Pfeifer und einen Trommler an der Spitze einer Infanteriekolonne im Revolutionskrieg zeigt. Carrie wollte es mir zeigen, weil es ihrer Überzeugung
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