Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen
voll Speichel hinunter. Dann wartete ich gespannt horchend, ob das Geräusch sich wiederholen würde.
Sechs, vielleicht sieben Minuten verstrichen. Meine Muskeln waren kurz davor, sich zu verkrampfen. Unter mir fuhren ab und zu Autos vorbei, und im Hauseingang nebenan hatten zwei Penner eine kurze
Auseinandersetzung. Dann wurde der Regen wieder
stärker und prasselte erneut gegen die Scheiben.
Ich sah zu Suzy hinunter, die weiter mit schussbereit erhobener Waffe auf dem ersten Treppenabsatz stand. Ob sie etwas gehört hatte oder nicht, spielte keine Rolle. Sie würde wissen, dass irgendwas nicht in Ordnung war, weil ich mich nicht bewegte. Sie würde nur darauf reagieren, was ich tat.
Ich ließ mir noch eine halbe Minute Zeit, dann setzte ich mich wieder in Bewegung: Waffe im Anschlag,
Ausziehstütze an der Schulter, Daumen am
Sicherungshebel, um zu prüfen, ob die MP5 auf
Einzelfeuer eingestellt war. Ich blieb an der linken Wand, bis ich den Treppenabsatz erreichte, und drückte mich dort in die linke Ecke, um möglichst weit von dem Fenster entfernt zu sein. Schemenhafte Tropfen aus Licht und Schatten schienen über den Holzboden vor mir zu huschen, als Regenwasser über die schmutzigen Scheiben herablief. Vor mir, am Fenster und an der Treppe vorbei, die in Gegenrichtung weiterführte, befand sich eine Tür: eine furnierte Wohnungstür aus hellem Limbaholz mit billiger Drückergarnitur links.
Suzy begann nachzukommen, während ich mich
bemühte, mehr Sauerstoff durch den Filtereinsatz
einzusaugen. Sie machte auf einer der letzten Stufen Halt, blieb an die rechte Wand gelehnt stehen und wartete ab, was ich tun würde.
Ich bewegte mich seitlich, blieb an die Wand gepresst und hielt meine MP5 schussbereit. Das durchs Fenster einfallende Licht reichte eben aus, um das untere Drittel der nächsten Treppe schwach zu erhellen. Ich blieb mit dem Fensterrahmen an der linken Schulter stehen und konnte jetzt die Straße bis zur weiterhin geschlossenen Polizeistation überblicken. Unter uns rumpelte ein Lastwagen vorbei. Suzy duckte sich tief und huschte durch mein Schussfeld, um ihre Position an der Tür einzunehmen. Scheiß auf das Fenster, ich musste einfach daran vorbei. Ich schloss zu Suzy auf und machte mich bereit, durch die Tür einzudringen: rechter Daumen am Sicherungshebel, der auf Einzelfeuer gestellt war, linke Hand am dicken Schalldämpfer meiner Waffe, rechter Zeigefinger am ersten Druckpunkt des Abzugs.
Als ich nickte, schloss Suzys Hand sich um die
Türklinke und drückte sie nach unten. Die Tür öffnete sich mit kaum wahrnehmbarem Quietschen. Meine
Augen sahen Licht – erst von dem Fenster auf einer Seite des Schiffsbugs, dann von dem anderen. Ich trat tief geduckt über die Schwelle, wich sofort nach links aus, suchte den Raum mit einem Schwenk meiner Waffe ab und machte die Tür für Suzy frei, die nur einen Schritt hinter mir war.
Nach drei raschen Schritten machte ich Halt, lehnte mich in die Waffe. Ich konnte den gesamten Schiffsbug überblicken. Im Gegensatz zum Erdgeschoss war dieses Stockwerk nicht unterteilt, sondern bestand aus einem einzigen großen Raum. An einem der Fenster stand ein alter Stahlschreibtisch zwischen umgeworfenen
Plastikstühlen. Mitten im Raum lag eine defekte alte Satellitenschüssel, ein altmodisches Ding mit eineinhalb Metern Durchmesser aus mit Kunststoffbeschichtetem Metallgewebe. Der Rest das großen Raums befand sich in ähnlich beschissenem Zustand. Hier hämmerte der Regen wirklich gegen die Scheiben, sodass wir uns vorkamen wie im Inneren einer Schnarrtrommel. Von der gegenüberliegenden Straßenseite aus schimmerte das beleuchtete Schild des Bahnhofs King’s Cross
verschwommen durch den Regen.
Ich machte ein paar tiefe, laute Atemzüge und war gerade dabei, mich wieder nach der Tür umzudrehen, als ich über uns ein dumpfes Pochen hörte.
Suzy war zur Bewegungslosigkeit erstarrt, horchte angestrengt nach oben.
Ich versuchte, lautlos zu atmen. Speichel lief mir übers Kinn.
Sie waren dort oben. Die Scheißkerle waren dort oben, direkt über uns, irgendwo im zweiten Stock.
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Ich stand weiter mit zur Decke erhobenem Kopf
unbeweglich da.
Ich schloss die Augen, um mich besser konzentrieren zu können, aber das Geräusch wiederholte sich nicht. Ich hörte nur das Trommeln des Regens und ab und zu das Platschen eines vorbeifahrenden Autos.
Zwei oder drei Minuten verstrichen. Ich wusste
bestimmt, dass das Geräusch von rechts oben, aus dem
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