Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen
Handeln.
Ich hielt den Atem an, um zu sehen, ob die
Brustschmerzen dann aufhören würden, aber das war nicht der Fall. Dann atmete ich stattdessen tief ein, um mich zu beruhigen, aber auch das funktionierte nicht.
Warum musste bei mir immer alles schief gehen?
Es wurde Zeit, in die Gänge zu kommen. Ich stand
langsam auf und achtete dabei darauf, weiter im Schatten zu bleiben.
Ich schlich tief geduckt unter den Fenstern vorbei, ging zur Vorderseite des Hauses zurück und erkannte
plötzlich, dass sie vermutlich ebenso einsam war wie ich.
Die Vorhänge waren noch immer zugezogen.
Sobald ich unters Vordach der Haustür trat, schaltete ein Bewegungsmelder die Lampe über mir ein. Die Tür bestand aus massivem dunklem Holz. Ich klingelte und sah nach einigem Warten eine verschwommene
Bewegung in der Diele.
»Wer ist da?« Die Stimme klang nicht ängstlich, nur neugierig.
»Ich bin’s, Nick.«
»Wer?«
»Nick. Ich brauche … Ich brauche deine Hilfe. Mach bitte auf.«
Sie sperrte auf, ließ aber die Sicherungskette
eingehakt. Ihr Gesicht erschien im Türspalt. Obwohl ich nur einen kleinen Ausschnitt davon sah, war
unverkennbar, dass sie von meinem Besuch nicht
sonderlich begeistert war. »Was willst du?«
»Lass mich bitte rein. Die Sache ist wichtig. Bitte.«
Die Haustür wurde geschlossen, dann klirrte die Kette, bevor die Tür sich wieder öffnete. Ich putzte meine sandigen Stiefel auf der Fußmatte ab und trat ein. Die Diele war hellblau gestrichen, und ich konnte sofort frische Farbe und neue Teppiche riechen. Über einer Sockelleiste war der Flur mit einer Tapete mit
Blumenmuster tapeziert, auf der großformatige Drucke von Bäumen, Wolken und dergleichen hingen. Das
Ganze erinnerte an einen Ausstellungsraum von B&Q.
Unmittelbar links vor der Treppe befand sich eine weitere Tür, die vermutlich wie bei Carmen und Jimmy in die Garage führte. Das war gut; wollte Suzy mir nicht helfen, konnte ich meinen Vectra in die Garage fahren und sie im Kofferraum verstauen, ohne Zuschauer
befürchten zu müssen.
»Scheiße, was machst du hier, Nick?«
Ich hob die Hände, als wollte ich mich ergeben.
»Willst du mir nicht einen Tee anbieten?«
»Fällt mir überhaupt nicht ein. Woher hast du gewusst, wo ich wohne?«
»Ich hab’s nicht gewusst. Der Blick aus dem
Küchenfenster übers Bluewater? Der Wintergarten im Bau? Das waren die einzigen Hinweise.«
Sie musterte meine Kleidung.
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich musste abwarten, um zu sehen, ob du allein bist. Hör zu, ich muss etwas mit dir besprechen, aber erst brauche ich einen Tee.«
»Na, hoffentlich taugt deine Geschichte was.« Sie wandte sich ab, um in die Küche zu gehen. »Zieh deine Stiefel aus.«
Während ich gehorchte, hörte ich, dass der
Wasserkessel gefüllt wurde. Ich blieb in Socken an der Tür stehen.
Sogar von hinten war ihre Körpersprache
unverkennbar Sie war vermutlich wütender auf sich selbst als auf mich Sie konnte nicht glauben, dass sie sich selbst verraten hatte Damals im Det hätte eine
Nachlässigkeit dieser Art jemanden das Leben kosten können. »Was willst du?«
»Kelly ist entführt worden … von dem Informanten.«
Sie drehte sich mit dem Wasserkessel in der Hand
ruckartig nach mir um.
Ich sprach langsam und nachdrücklich weiter, damit Suzy jedes Wort verstand. »Heute Morgen wollte ich ihre Großeltern besuchen. Beide waren tot – erstochen. Kelly war verschwunden. Keine Mitteilung, nichts.«
Wir standen einfach nur da, Suzy weiter mit dem
Wasserkocher in der Hand, während ich die weiteren Ereignisse schilderte. »Die Sache ist also ein einfaches Tauschgeschäft. Ich fliege nach Berlin und hole etwas ab, und er gibt mir Kelly zurück.«
»Was holst du ab?« Sie stellte den Wasserkessel auf die Platte.
»Fünf Flaschen Wein.«
Suzy wirbelte herum und starrte mich erschrocken an.
»Oh, Scheiße … Wir müssen den Boss anrufen.«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf.
Sie wandte sich dem Holzständer mit gelben Bechern zu, die zu der Tapete dahinter passten. Dabei fiel mir erstmals auf, dass sie einen Ehering trug. Mein Verstand arbeitete auf Hochtouren.
Sie schien zu erraten, was mich beschäftigte. »Keine Sorge, ich bin allein.«
Ich trat einen Schritt näher an sie heran. »Hör zu, ich brauche wirklich Hilfe. Ich könnte dich anlügen und behaupten, alles diene dazu, Dark Winter unter Kontrolle zu halten, aber darum geht’s nicht. Mir geht es darum, sie zurückzubekommen und
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