Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen
Hauswand führte. Die randvolle Wanne lief über.
Dad machte sich auf der Leiter stehend daran, den Fensterbeschlag mit Kitt abzudichten, deshalb nickte ich dem Sohn zu. »Ich wohne gleich hier in der Nähe …
Wollte nur mal vorbeischauen, um mir den Wintergarten anzusehen. Ich denke daran, mir selbst einen bauen zu lassen. Ist sie da?« Ich wies mit dem Daumen aufs Haus.
»Sie wissen schon, die Blondine? Mit kurzem Haar?«
Durchs linke Fenster konnte ich einen Blick ins
Esszimmer des Hauses werfen. Ein dunkelbrauner Tisch mit sechs Stühlen stand etwas verloren mitten im Raum.
Ein Türbogen führte ins Wohnzimmer hinüber.
»Nö, sie hat braunes Haar, Kumpel.« Er ließ mit der rechten Hand die Leiter los und deutete eine Linie knapp oberhalb der Schulter an. »Ungefähr so lang.«
»Sie haben Recht, ich habe an eine andere Nachbarin gedacht. Die hier heißt Suzy, stimmt’s?«
Rechts neben dem Esszimmerfenster befand sich eine halb verglaste Tür, und wieder rechts daneben lag die Küche mit braunen Wandschränken und einem übers
Fensterbrett aufragenden verchromten Mixer.
»Glaub schon.«
»Aber sie ist nicht da?«
»Nö.«
»Wissen Sie, wann sie zurückkommt?«
Das Wintergartenfundament und darauf sechs Lagen
Ziegel grenzten einen Raum ein, der die Hintertür und das Küchenfenster umfasste. Das Holzgerüst war
praktisch fertig aufgestellt.
Er zuckte mit den Schultern.
»Was ist mit ihrem Mann, ist er vielleicht da?«
»Hab nie wen geseh’n, Kumpel.«
»Okay, danke.«
Ich sah auf meine Traser, während ich zwischen den Häusern hindurch zur Straße zurückging. Es war 17.18
Uhr – höchste Zeit, dass die beiden für heute Schluss machten. Ich würde Ausschau nach weiteren
Möglichkeiten halten, aber ich hatte das Gefühl, bereits fündig geworden zu sein.
Als ich aus der Siedlung fuhr, brannten meine Augen vor Müdigkeit wie Feuer, und ich sah manchmal nur verschwommen. Aber scheiß drauf, schlafen konnte ich nächste Woche. Eines machte mir Sorgen: Das Haus
wirkte für nur eine Bewohnerin zu groß, aber alles, was Suzy jemals gesagt oder getan hatte, hatte darauf hingewiesen, dass sie allein lebte. Sie hatte niemanden anrufen wollen; sie hatte sich keine Sorgen um
irgendjemanden gemacht. Vielleicht hatte sie dieses Haus als Investition gekauft.
Aber was war, wenn das nicht stimmte? Was war,
wenn sie ein großes Haus hatte, weil sie einen Mann und Kinder hatte? Wie würde ich sie in einem Haus voller Leute daran hindern können, mich bei dem Jasager zu verpetzen? Scheiß drauf, diese Brücke würde ich
überqueren, wenn ich sie erreichte.
Ich machte mich daran, weitere Möglichkeiten zu
erkunden; hierher würde ich nach Einbruch der
Dunkelheit zurückkommen.
51
Das Haus am Warwick Drive blieb meine einzige
Hoffnung; ich konnte keine anderen Möglichkeiten
entdecken. Ich fuhr zum Bluewater zurück, parkte in der entlegensten Ecke des Parkplatzes, stellte meine
Rückenlehne flach und konnte trotzdem nicht schlafen.
Ich nickte nur für ein paar Minuten ein und schrak bei jeder lauten Stimme, jedem vorbeifahrenden Wagen, jeder zugeknallten Heckklappe auf.
Als ich schließlich wieder die Augen öffnete, waren sie so verquollen und wässrig wie zuvor. Ich hatte einen grässlichen Geschmack im Mund, und von dem
Käsesandwich waren meine Zähne ganz pelzig.
Wenigstens war es inzwischen dunkel geworden. Ich sah auf die Traser. Scheiße, ich war fast zu spät dran.
Ich ging ins Einkaufszentrum zurück und warf ein paar Pfundmünzen in ein Wandtelefon. »Hallo!«, sagte Josh am anderen Ende sehr fröhlich und beschwingt.
»Ich bin’s.«
Sein Tonfall änderte sich schlagartig. »Oh, hi, wir wollen gerade losfahren.«
»Nein, bleibt zu Hause – der Plan hat sich geändert.
Sie kommt vorerst noch nicht zurück.«
»Soll das ein Witz sein? Ich hab erst gestern Abend mit ihr telefoniert, und alles war cool. Was ist passiert?
Alles in Ordnung mit ihr?«
»Natürlich.« Ich gab mir große Mühe, damit meine
Stimme ungezwungen klang. »Sie bleibt nur noch etwas länger hier. Das ist besser für sie, glaube ich.«
Das Bibelkolleg schien nicht sonderlich gewirkt zu haben. »Scheiße, was soll das wieder heißen? Wer hat sich die Sache anders überlegt – du oder sie? Kelly hat mir erzählt, dass sie zurückkommen und ihr Leben
ändern will.«
»Ich weiß, ich weiß, sie kommt nur noch nicht gleich zurück. Ich rufe dich später wieder an. Ich muss jetzt Schluss machen,
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