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Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen

Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen

Titel: Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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George das Geld nicht unterschlagen und sich ein zu seinem Hemd passendes Pferd kaufen konnte. »Ich dachte, Sie hätten gesagt, ich bekäme zwanzigtausend?«
    »Richtig – aber Sie haben gerade zwanzig Prozent für den Sozialfonds gestiftet.« Er sah sich in seinem Luxusbüro um und breitete die Arme aus. »Dort draußen gibt’s alte Agenten, die keine Versorgungsansprüche hatten, als sie ausgemustert oder kaputtgeschossen wurden. Das Leben war damals anders, deshalb habe ich mir überlegt, dass wir diese alten Kerle an unserem Wohlstand beteiligen sollten. Diesen Jungs fällt es schwer, sich in der realen Welt zurechtzufinden, Nick.
    Wie ich Ihnen nicht zu erzählen brauche, herrscht dort draußen das Gesetz des Dschungels …«
    Ich holte tief Luft und wollte sagen, dass mir offenbar nichts anderes übrig bleibe.
    Aber George kam mir zuvor. »Nachdem Sie jetzt zu
    uns gehören, bleibt’s bei dieser Regelung. Wir spenden alle für den Sozialfonds. Wer weiß? Vielleicht rufen Sie eines Tages selbst um Hilfe.«
    Ich verzichtete darauf, den Umschlag aufzureißen und das Geld zu zählen. Es würde alles da sein; George würde es selbst nachgezählt haben. Bei George war immer alles überkorrekt, immer alles pünktlich. Das mochte ich an ihm.
    Er sah nochmals auf seine Uhr, dann klappte er den Aktenkoffer zu und konzentrierte sich auf die Schlösser, während er die Kombination neu einstellte. »Dies ist der Punkt, an dem Sie gehen, Nick – mit Ihrem
    Kaffeebecher.«
    Ich war mit Geld und Becher in der Hand an der Tür, als er mir eine letzte boshafte Bemerkung nachschickte.
    »Hier gibt’s immer einen Platz für Sie, Nick. Daran ändert sich nichts.« Ich wusste, dass er von Carrie sprach, drehte mich um und sah ein Lächeln über sein Gesicht ziehen. »Bis Sie umgebracht werden, versteht sich. Oder bis ich einen Besseren finde.«

    Ich nickte und öffnete die Tür. Ich hätte mir gar nichts anderes gewünscht. Als ich die Tür hinter mir schloss, konnte ich sehen, dass George wieder zu den
    Halogenleuchten aufsah. Wahrscheinlich formulierte er in Gedanken ein Memo für den Hausmeister. Hoffentlich hatte er mit seinem mehr Glück als ich mit meinem.

    6
    Laurel, Maryland
    Montag, 5. Mai, 10.16 Uhr

    Nach der halbstündigen Zugfahrt von der Central Station nach Laurel saß ich hinten in einem Taxi, das mich zu Joshs Haus brachte. Wegen der ganzen Umsteigerei und Warterei wäre ich mit einem Leihwagen vermutlich
    schneller hingekommen, aber dafür war’s jetzt zu spät.
    Wir bogen hinter einer Kurve in Josh d’Souzas
    Neubausiedlung mit sauber aufgereihten, frisch
    gestrichenen Holzhäusern ab, und ich dirigierte den Taxifahrer zu seiner Sackgasse. Obwohl mein letzter Besuch erst sechs Wochen zurücklag, hatte ich Mühe, die Häuser mit ihren sauber gemähten Rasenflächen, dem obligatorischen Basketballring an der Garagenwand und den in der Brise flatternden Stars and Stripes auseinander zu halten. In etlichen der Straße zugekehrten
    Wohnzimmerfenstern stand sogar eine von
    Sternenbannern umrahmte Vergrößerung eines jungen Sohnes oder einer Tochter in Uniform. Joshs Haus war die Nummer 106, ungefähr auf halber Strecke links.
    Das Taxi hielt unten an der betonierten Einfahrt. Joshs Haus stand auf erhöhtem Grund ungefähr zwanzig Meter von der Straße entfernt, sodass sein Vorgartenrasen leicht anstieg. Vor der Garage lagen mehrere Fahrräder, ein Basketball und ein Skateboard, und sein schwarzer Dodge mit Doppelkabine, ein schrecklicher

    Benzinsäufer, stand in der Einfahrt.
    Ich ertappte Josh dabei, dass er aus dem Küchenfenster spähte, als habe er hinter dem Vorhang auf meine
    Ankunft gelauert. Als mein Taxi wegfuhr, stand er bereits an der weiß gestrichenen Haustür – voll unruhiger Erregung, die in sein narbiges Gesicht eingegraben war.
    Das war nichts Neues. Trotz allem Ich-verzeihe-dir-Gerede war ich mir nicht allzu sicher, ob er mich mochte.
    »Ertrug« wäre vermutlich der treffendere Ausdruck gewesen. Ich bekam kaum jemals mehr das herzliche Lächeln zu sehen, mit dem er mich vor der Schießerei, seit der sein Gesicht entstellt war, begrüßt hätte. Er akzeptierte mich wegen meiner Beziehung zu Kelly, aber damit hatte es sich auch schon. Tatsächlich glichen wir einem geschiedenen Elternpaar. Ich war der treulose Vater, der gelegentlich mit völlig unpassenden
    Geschenken aufkreuzte, und er war die Mutter, die mit all den Alltagsproblemen fertig werden musste, die morgens aufstehen und ihr

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