Nick Stone - 06 - Feind ohne Namen
den Kopf. »Lieber nicht, findest du nicht auch?«
»Nein, eher nicht. Was ist mit Josh?«
»Was glaubst du?«
»Ich weiß, dass du’s wahrscheinlich lieber nicht tätest, aber er liebt dich und versucht wirklich, dir zu helfen.«
»Yeah, vermutlich hast du Recht.«
Und dann holte ich tief Luft. »Kelly, bei mir hat’s ein Drama gegeben …« Ich spürte, wie ihre Hand in meiner steif wurde. Sie wusste genau, was kommen würde. »Ich muss beruflich verreisen. Ich habe darüber nachgedacht und glaube, dass es am besten wäre, wenn du vorzeitig zurückfliegen würdest. Josh und die Kinder kommen heute Abend zurück. Fliegst du also morgen, kann er …«
Sie entzog mir ihre Hand. »Aber ich bin für Dienstag bei Dr. Hughes angemeldet, stimmt’s?«
»Ich habe mit Dr. Hughes gesprochen, und sie weiß, dass du morgen abreist. Ich habe sie gebeten, dir nichts zu sagen, weil ich es dir selbst sagen wollte.« Ich machte eine kurze Pause. »Hör zu, du bist wirklich besser dran, wenn du wieder in den Staaten und bei jemandem in Behandlung bist, den sie für dich organisiert.«
»Aber ich will am Dienstag zu ihr!« Kellys Stimme zitterte. Während sie zu mir aufsah, standen ihre Augen voll Tränen, die ihr dann einfach übers Gesicht liefen.
»Ich will zu ihr, ich muss zu ihr, sie ist die Einzige, die
…«
»Nein, dies ist die bessere Lösung. Deine Therapie bei dem Arzt oder der Ärztin, die sie empfiehlt, fängt nur ein bisschen früher an.«
»Wie soll’s mir jemals besser gehen, wenn du mich immer wieder enttäuschst?« Sie schüttelte trübselig den Kopf. »Du sagst, dass du mit mir zusammen sein willst, aber das stimmt nicht. Du verstehst mich nicht …«
»Nein, sei bitte fair – wie kann ich dich verstehen, wenn du mir nichts von dir erzählst?«
Ihre Tränen versiegten, und sie schüttelte nicht mehr den Kopf. »Aber jetzt hab ich’s getan, oder nicht? Und du haust trotzdem ab.«
Scheiße, da hatte sie mich allerdings. »Hör zu, die vorzeitige Heimreise bedeutet nur, dass du umso früher eine andere Therapie beginnst. Wir wollten ohnehin nur für kurze Zeit in London bleiben, und Dr. Hughes hat gute Arbeit geleistet, nicht wahr? Ich meine, sieh dir doch an, worüber ihr alles reden konntet. Damit ist eine gute Grundlage für die Fortführung deiner Therapie in den Staaten geschaffen. Ist das nicht zu deinem Besten?«
Dreckskerl! Mein Handy klingelte, und Kelly sagte in ihrem sarkastischsten Tonfall: »Hallo, die Arbeit ruft.
Hallo, die Arbeit ruft.«
Ich drückte auf die grüne Taste, dann betätigte ich die Schlüsseltaste. Suzy war irgendwo auf der Straße
unterwegs. »Er hat angerufen, und wir haben in
eindreiviertel Stunden einen Treff mit ihm.«
Ich sprach scheinbar unbekümmert. »Okay, ich rufe dich in ein paar Minuten zurück.«
Ihre Stimme klang nervös. »Hast du verstanden? Ich fahre jetzt zum Starbucks. Du musst auch hinkommen –
lass mich ja nicht hängen.«
»Ja, ich habe verstanden. Ich rufe dich gleich wieder an.« Ich trennte die Verbindung und wandte mich Kelly zu. »Ich weiß, ich weiß. Ich muss in einer Minute fort.
Tut mir Leid, aber das lässt sich nicht ändern. Ich rufe dich später noch mal an.«
Wir standen auf dem Gehsteig vor dem Café. »Granny und Gramps sind dort drinnen.« Ich hielt ihr die Tür auf, und wir gingen hinein. Kelly nahm mir die Führung des Gesprächs ab. »Nick muss jetzt los, weil er arbeiten muss, nicht wahr, Nick?«
Ich blickte auf sie herab. »Über alles andere, worüber wir gesprochen haben, reden wir noch am Telefon.
Okay?«
Sie nickte kaum merklich, als ich sie zum Abschied umarmte. »Okay.«
Sobald ich mit den Tragetaschen auf der Straße und außer Sichtweite des Cafés war, telefonierte ich wieder.
»Suzy, hol mich ab, okay? Wir treffen uns am Sloane Square – an der Bushaltestelle vor W.H. Smith.«
»Sei bloß da!«
Die Verbindung brach ab, und ich ging zum Sloane
Square weiter, während ich mir einzureden versuchte, das Richtige zu tun. Andererseits hatte ich genau damit den größten Teil meines Lebens verbracht und war mir nicht sicher, ob ich bei dieser Auseinandersetzung jemals Sieger geblieben war.
28
Suzy verspätete sich. Sie hätte nicht so lange brauchen dürfen. Ich wartete vor dem Schaufenster von W.H.
Smith, hatte meine Tragetaschen vor den Füßen stehen und konzentrierte mich auf die Autos, die von rechts auf die Einbahnstraße um den Platz einfuhren. Während ich Ausschau nach Suzy hielt,
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