Nick Stone 06 - Feind ohne Namen
trotzdem.«
»Damit ändert sich alles, Suzy. Ich kann unmöglich verlangen, dass du -«
»Scheiße, wieso nicht? Ich bin schwanger, nicht behindert. Außerdem brauchst du dir keine Sorgen zu machen, denn ich besitze eine Geheimwaffe.«
Ich merkte, dass sie danach gefragt werden wollte, als ihre Tränen versiegten und sie sich wieder im Griff hatte.
»Erzähl’s mir nicht - du bist einer der X-Men .«
Sie warf mir den Blick zu, mit dem Kelly mich bedachte, wenn ich etwas Dummes gesagt hatte. »Ich rede von meinem Zustand, Blödmann.«
»Genau der macht mir Sorgen.«
»Nicht von dem , sondern vom RUC-Syndrom. Schon mal davon gehört, Det-Boy?«
Das hatte ich nicht, deshalb durfte ich ausnahmsweise den Kopf schütteln.
»Das Syndrom ist erstmals bei der US-Polizei diagnostiziert worden. Von Beamten, die ein Attentat
oder einen Bombenanschlag überlebt haben, sind immer einige der Überzeugung, alles überleben zu können. Genau wie ich. Ich bin unbesiegbar.«
»Wodurch bist du also zu Superwoman geworden?«
»Hast du mal von der Agentin gehört, die in den neunziger Jahren beinahe in Belfast gekillt worden wäre? Erinnerst du dich an den August 1993? Damals warst du noch beim Regiment, stimmt’s?«
Ich nickte . und konnte mich vage an so eine Geschichte erinnern.
»Damals war ich mit einem Partner zu Ermittlungen in einer Siedlung in Westbelfast unterwegs. Als Mitglied eines ganz normalen Teams. Ich hatte meinen Partner Bob abgesetzt, weil er am Haus der Zielperson vorbeigehen sollte. Anschließend habe ich jenseits der Siedlung geparkt, um auf ihn zu warten. Aber wir waren enttarnt worden, und ich habe mich mit dem Auto eingeklemmt einem Radlader gegenübergesehen. Der Scheißkerl hat versucht, mit der Schaufel meinen Wagen
- und mich! - zu zerquetschen, während ein paar Boyos sich zusammengerottet haben, um meine Überreste zu zerfetzen.«
Ich wollte einen Scherz machen, sah dann aber ihr ernstes Gesicht.
»Frag mich nicht, wie, aber nach dem zweiten oder dritten Schlag mit der Schaufel hab ich’s mit gebrochenem Oberschenkel geschafft, aus dem Auto rauszukommen. Ich habe den Radladerfahrer und einen Kerl erschossen, der mir mit einer Eisenstange den Schädel einschlagen wollte. Dann habe ich die restlichen
Kerle in Schach gehalten, indem ich mir einen von ihnen geschnappt und ihm die Pistole unters Kinn gedrückt habe, bis meine Teamkollegen ihre Autos durch die Menge gerammt haben, um mich rauszuholen. Ich hatte die Hosen voll, kann ich dir sagen! Bob ist verschleppt und in der Siedlung totgetrampelt worden.«
Jetzt erinnerte ich mich wieder; diese Geschichte hatte damals ziemliches Aufsehen erregt. Suzy hatte sogar einen Orden bekommen. »Du bist also das berühmte Digger Girl?«
»Klar, das bin ich. Eine wahre Heldin.«
Das klang etwas sarkastisch, aber überlebt zu haben war etwas, auf das man zweifelsohne stolz sein konnte. Andere - zum Beispiel Bob -, die in ähnliche Situationen geraten waren, waren jetzt tot. Damit war auch die Sache mit Ashford und der MOE-Schule verständlich. Suzy war natürlich enttarnt gewesen, aber ihre Vorgesetzten hatten eine Frau von ihrem Kaliber unbedingt halten wollen.
»Weiß der Jasager, dass du dieses komische RUC- Syndrom hast?«
»Nein, das weiß niemand. Nur du.« Sie lächelte flüchtig, während sie sich davon überzeugte, dass der Bademantel weiter ihre Beine bedeckte. »Willst du noch was hören, was niemand weiß? Willst du die wahre Geschichte hören?«
Ich rutschte verlegen im Sessel hin und her, weil ich den Verdacht hatte, es sei allmählich Zeit, rauszugehen und noch mal Tee zu machen.
»Dass wir enttarnt wurden, war meine Schuld.« Ihre Stimme klang leidenschaftslos, und sie hielt den Kopf gesenkt, sodass ihr Haar das Gesicht verdeckte, während ihre Hände den weißen Frotteestoff glatt strichen. »Ich habe wie üblich am Randstein gehalten, um Bob abzusetzen, aber beim Aussteigen hat sein Sakko sich hinter dem Halfter verfangen. So waren seine Pistole und die Magazinhalterung sichtbar. Aber das habe ich erst gesehen, als er die Straße schon halb überquert hatte. Ich habe gehupt, und er ist zurückgekommen, wollte wieder einsteigen. Alles okay, habe ich gesagt, keine Sorge, das hat kein Mensch gesehen. Tatsächlich hatte ich mehr Angst davor, die Ermittlungen abbrechen zu müssen und echt dämlich dazustehen, als davor, enttarnt zu werden, weißt du, was ich meine?«
Ich nickte, aber das war nicht wirklich mein
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