Nick Stone 06 - Feind ohne Namen
herumzuhängen, aber bis dahin musste ich wenigstens tun, was von mir erwartet wurde. Der Jasager lehnte sich zurück und ließ seine Hände auf den Knien ruhen. »Ihr Auftrag ist sehr einfach: Sie bringen sich in Besitz von Dark Winter.« Da dies unser Auftrag war, wiederholte er ihn, um jeglichen Zweifel auszuschließen.
»Jedoch . « Ich hätte mir denken können, dass noch etwas kommen würde; es gab immer ein »Jedoch«. Sein Zeigefinger stach in die Luft. »Sollten Sie jedoch auf eine oder mehrere Personen stoßen, die Sie daran hindern wollen, Dark Winter in Besitz zu nehmen, reagieren Sie so, wie die Situation es erfordert, um die Sicherheit der Öffentlichkeit und Ihre eigene zu gewährleisten.«
Das war die Standardformel. Etwa notwendige Morde waren nur dann legal, wenn der Innen- oder Außenminister - ich konnte mir nie merken, welcher dafür zuständig war - sie im Voraus genehmigte, und falls irgendwas schief ging, musste der Jasager behaupten können, er habe niemals befohlen, ASU-Mitglieder auf englischem Boden zu töten.
»Als Erstes nehmen Sie Kontakt mit unserem Informanten auf. Die näheren Einzelheiten dieses Treffs erklärt Yvette Ihnen später.« Er wechselte einen Blick mit seiner Assistentin. »Sobald unser Freund seine
Angelegenheiten in Ordnung gebracht hat.«
Suzy lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Dann ist also sonst niemand beteiligt?«
»Niemand.«
»Das ist ein bisschen so, als sollte ein Vorschlaghammer mit einer Nuss zertrümmert werden, nicht wahr?«
Yvette stand auf, während der Jasager seine Papiere einsammelte. Ihr Anorak raschelte leise, als sie in die Ärmel schlüpfte. »Dieses Unternehmen ist etwas komplizierter als die meisten. Der Dienst befindet sich auf einer schwierigen Gratwanderung«, sagte sie.
Das war das erste Mal, dass ich sie mit normaler Stimme sprechen gehört hatte.
»Wir müssen losziehen und Dark Winter aufspüren, aber zugleich die Einzelheiten seiner Existenz und seiner geplanten Verwendung vor der Öffentlichkeit geheim halten - zu der in diesem Fall leider die Regierung, andere Dienststellen und einige der eigenen Leute gehören. Nur so können wir die Öffentlichkeit schützen und trotzdem unser Ziel erreichen. Für diese Aufgabe bleibt uns jedoch nur ein sehr kleines Zeitfenster, in dem wir das Problem eliminieren müssen, bevor die Umstände es schon sehr bald erfordern könnten, die zuständigen Dienststellen zu informieren.«
Das klang wie etwas aus der Fernsehserie Yes, Minister , und ich verstand praktisch nichts von dem, was Yvette sagte. Aber die Message war klar: Ging irgendwas schief, würde die Schuld auf andere abgewälzt werden. »Dark Winter« war der Deckname einer im Juni 2001 von den Amerikanern durchgeführten Übung gewesen, die US-Spitzenpolitiker mit den Möglichkeiten von Bioterroristen hatte vertraut machen sollen. Bei dieser Simulation hatte ein Terrornetzwerk amerikanische Großstädte, darunter Atlanta, Oklahoma City und Philadelphia, mit Pocken infiziert. Innerhalb von vierzehn Tagen hatte der Virus alle fünfzig Bundesstaaten und mehrere Nachbarstaaten erfasst, was einem Sieg der Terroristen gleichkam. Tausende von Amerikanern waren »gestorben«, unzählige andere waren »infiziert« worden. Ich wusste nur deshalb von dieser Übung, weil ein Freund von mir an ihr teilgenommen hatte. Die ganze Welt hätte in höchstem Maß alarmiert sein sollen, aber das war ein Vierteljahr vor dem 11. September gewesen, deshalb hatte niemand auch nur mit der Wimper gezuckt.
Mir war klar, was hier passierte. Die Firma sicherte sich für den Fall ab, dass Informationen nach außen drangen oder wir kompromittiert wurden. Wurde dem Dienst vorgeworfen, auf eigene Faust gehandelt oder dem Premierminister Informationen vorenthalten zu haben, konnte der Jasager empört behaupten: »Natürlich haben wir die Regierung informiert - liest denn niemand die Geheimdienstberichte, weiß denn nicht jeder, was >Dark Winter< ist?« Die Beziehung zwischen Regierung und Firma war seit dem zweiten Golfkrieg nicht besonders herzlich. Ich hätte wetten können, dass es dem Jasager einen Heidenspaß machte, ihr diese Informationen vorzuenthalten. Suzy wirkte noch aufgeregter als er. Ich wusste nun mit Sicherheit, dass sie praktisch für diesen
Scheiß lebte.
Der Jasager schaufelte die letzten Unterlagen in seinen Aktenkoffer. Yvette folgte seinem Beispiel und machte dann weiter, indem sie die Handschelle klickend um ihr schmales
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