Nick Stone 06 - Feind ohne Namen
der Bauchtasche.
Suzy konzentrierte sich weiter auf den Verkehr, aber sie wusste genau, was ich vorhatte. »Du willst dringend noch mal mit ihr sprechen, stimmt’s? Sie ein letztes Mal anrufen? Du weißt schon - für alle Fälle?«
Ich schaltete das Handy ein und sah das Begrüßungsdisplay aufleuchten. »Irgendwas in der Art.« So grundlegend hatte ich noch nicht darüber nachgedacht. Das tat ich nie: Ich würde nicht viel hinterlassen, und im Augenblick hatte Kelly wahrscheinlich das Gefühl, ich täte ihr mit meinem Abtreten einen Gefallen.
Ich tippte die Nummer ein und hörte das Klingeln in »The Sycamores«. Es schien endlos lange zu dauern, bis Carmen sich meldete.
Mit dem Zeigefinger im linken Ohr beugte ich mich wieder nach vorn in den Fußraum. »Ich bin’s, Nick. Hör zu, ich muss mit ihr reden.«
Carmen blieb unnachgiebig. »Es ist nach Mitternacht. Ich habe dir schon gesagt, dass ich sie nicht .«
»Bitte, Carmen . Bitte , weck sie auf. Ich möchte wirklich mit ihr reden, bevor sie zurückfliegt. Dies ist vielleicht meine einzige Gelegenheit. Das verstehst du,
oder nicht?«
Ein schweres Seufzen, dann raschelte ihr Morgenrock, als sie das Schlafzimmer verließ und über den Flur ging. »Nach diesem Gespräch stelle ich das Telefon ab. Wir brauchen unseren Schlaf, weißt du - wir haben einen anstrengenden Tag vor uns.«
Ich hörte Stimmengemurmel, das ich wegen der Fahrgeräusche nicht verstand, aber zu meiner Überraschung meldete Kelly sich sofort und klang hellwach. »Wo bist du? Ich kann dich kaum hören.«
»In einem Auto. Du bist noch spät auf.«
»Na ja, ich mache alles Mögliche. So Zeug eben.«
»Ich muss nach Norden rauffahren, deshalb kann ich nicht kommen und dich zum Flughafen bringen. Aber Josh holt dich ab, okay?« Ich sprach weiter, bevor sie sich dazu äußern konnte. »Tut mir Leid, aber dagegen kann ich nichts machen. Ich werde trotzdem versuchen, rechtzeitig da zu sein, das weißt du ...«
Sie war unheimlich ruhig. »Schon gut, Nick.«
»Ich möchte dich sehen. Ich möchte dir sagen, dass es mir Leid tut, dass hier alles Scheiße war, dass wir uns kaum gesehen haben, dass du nicht mehr zu Dr. Hughes kannst, aber ich .«
»Hey, das ist in Ordnung, echt. Josh hat angerufen und gesagt, dass er mich abholt. Am Montag ruft er Dr. Hughes an und lässt sich beraten, zu welchem Therapeuten ich zu Hause soll. Alles ist cool. Weißt du, ich glaube wirklich, dass diese Englandreise mir geholfen hat.«
»Er hat schon mit dir gesprochen?«
»Klar, und wir haben alles auf die Reihe gebracht.« »Wirklich? Das ist wunderbar. Pass auf, sobald ich hier fertig bin, komme ich dich besuchen.«
»Rufst du mich an, wenn ich wieder bei Josh bin?« »Versuch doch, mich daran zu hindern!«
»Gut, bis dann.«
»Okay, bis zum nächsten Mal.«
»Nick?«
»Was?«
»Ich liebe dich.«
Das Antibiotikum griff wieder meinen Magen an. »Ich dich auch. Muss jetzt aufhören.« Ich drückte den roten Knopf.
Der Verkehr wurde dichter, als wir die Innenstadt erreichten. Suzy starrte weiter konzentriert nach vorn, während sie eine rote Ampel überfuhr. Ich war neugierig. »Du hast wirklich niemanden, den du anrufen solltest?« »Niemanden.«
Dann klingelte ihr Nokia und wurde sofort ans Ohr gehalten. »Ja?« Auf ihrem Gesicht war keine Reaktion zu erkennen; Suzys Blick blieb auf die Straße gerichtet. »Das ist uns scheißegal - Sie bleiben gefälligst dort und passen auf, wir treffen uns bei Boots.«
Er hatte die Verbindung anscheinend unterbrochen. »Verdammtes Schlitzauge!« Sie steckte das Nokia wieder ein. »Er beschwert sich darüber, dass das nicht seine Aufgabe ist. Er sagt, er könnte kompromittiert werden. Wen kümmert’s?«
»Hat er irgendwas gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf.
Kurz vor King’s Cross kamen wir auf der Euston Road an der British Library vorbei. Die Baustelle erstreckte sich vom Bahnhof aus in unsere Richtung und behinderte den nächtlichen Verkehr. Massive Fahrbahnteiler aus Betonfertigteilen und fluoreszierende rot-weiße Absperrbänder leiteten Fahrzeuge und Fußgänger auf Schlängelkursen über die Baustelle. Ich deutete auf ein blaues Parkschild über uns, und Suzy bog nach links ab, wo wir entlang des Bibliotheksgebäudes Parkplätze und einen Parkscheinautomaten fanden. Um diese Zeit konnten wir kostenlos parken.
Nachdem wir das Innere und die Türen des Mondeos zweimal kontrolliert hatten, gingen wir zur Hauptverkehrsstraße zurück und nach links in
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