Nick Stone 07 - Schattenkiller
Coke-Boykott.
Der betreffende Journalist schien den fünfunddreißig- jährigen Hasan Nuhanovic zu mögen und beschrieb ihn stolz als einen der fortschrittlichsten und revolutionärsten Denker der muslimischen Welt. Nach der pakistanischen Gerüchteküche war Nuhanovic für eine kleine Lektion über US-Geschichte im Land. 1766 hatten die Amerikaner eine politische Waffe entdeckt, ohne die die Revolution vielleicht nicht erfolgreich gewesen wäre: Verbraucherboykott.
Noch bevor Amerika eine Nation war, so hieß es in den Artikeln, gab es dort eine große Gruppe Konsumenten, insgesamt zweieinhalb Millionen Menschen, über die achtzehnhundert Meilen der Ostküste verteilt. Doch die Kolonisten hatten nur wenig gemeinsam, abgesehen von einer Schwäche für etwas, das Samuel Adams britischen Tand nannte.
1765 erhob die Stempelakte eine Steuer auf Druckschriften, und als Gegenmaßnahme beschlossen die Händler von mindestens neun Orten, auf britische Importe zu verzichten. Benjamin Franklin wurde nach London bestellt, und dort verlangte das Parlament von ihm, dass die Kolonisten ihre Steuern bezahlten. Franklin wies in seiner Antwort darauf hin, dass es in den Kolonien viele Konsumenten gab, die vielleicht die Lust verloren, ihr Geld für britische Waren auszugeben: Die Amerikaner konnten alle notwendigen Dinge selbst produzieren oder ohne sie zurechtkommen. Einen Monat später wurde die Stempelakte außer Kraft gesetzt, und der Handel mit britischen Waren blühte wieder auf.
Nach nur zwei Jahren hatten die Briten ihre Lektion vergessen. Das Parlament verabschiedete den Townsend Revenue Act, besteuerte damit Tee, Glas, Papier und andere Dinge. »Franklins Drohung wurde Realität«, hieß es in dem Artikel. »Der Boykott wurde zu einer Bewegung. Und was ebenso wichtig war: Er erlaubte es Frauen, den Bewohnern kleiner Orte und Armen, zu politischen Aktivisten zu werden. 1770 unterschrieben in Boston hunderte von Frauen Petitionen und versicherten damit, dass sie keinen Tee mehr verwenden würden, und natürlich fand nachher eine große Party im Hafen statt, wobei einige Kisten von dem Zeug Verwendung fanden.«
Städte gaben detaillierte Listen der Waren aus, die tabu waren. Freiwillige schlossen sich zu Gruppen zusammen, um sicherzustellen, dass niemand die boykottierten Produkte kaufte. Wer nicht auf sie verzichten wollte, wurde angegriffen. Der Boykott traf die Briten an ihrer empfindlichsten Stelle: am Geldbeutel. Amerika vereinte sich gegen das Mutterland, und es kam in Mode, auf Britisches zu verzichten. Es spielte keine Rolle, ob amerikanische Produkte unterlegen waren; es spielte nicht einmal eine
Rolle, wenn sie gar nicht existierten. Es war ein Einstellungswandel.
Und genau das war es, was Hasan Nuhanovic zu erreichen versuchte. Er wollte die Leute dazu bringen, die Kontrolle über ihr Schicksal aus den Händen der Leute zu nehmen, die das Recht für sich beanspruchten, anderen Kulturen ihren Willen aufzuzwingen.
Das war es. Keine aktuellen Bilder von ihm, nie ein Interview. Ein kamerascheuer Bursche. Er war ein Ziel für alle religiösen Fundamentalisten und politischen Extremisten, und vermutlich hatte er auch bei den multinationalen Konzernen nur wenig Freunde. Ein Reporter, der über Monate hinweg bestrebt gewesen war, ein Interview zu bekommen, hatte in Newsweek geschrieben: »Ebenso gut hätte man versuchen können, Blut aus einem Stein zu pressen. Es war einfach nicht möglich, an den vielen Wächtern vorbeizugelangen und den Schutzschild zu durchdringen, der ihn umgibt. Im Vergleich mit Hasan Nuhanovic ist Osama Bin Laden eine Mediendirne.«
Ich klickte auf einen anderen Link und gelangte auf eine Seite, die eine neue Cola-Art anpries, von Muslimen produziert - sie bot eine echte Alternative für Menschen, denen es nicht passte, dass gewisse westliche Multis direkt oder indirekt die muslimische Unterdrückung unterstützten. Weiteren Gerüchten zufolge war Nuhanovic im vergangenen Jahr in Pakistan gewesen, um zu erklären, dass Coca-Cola den amerikanischen Kapitalismus repräsentierte und die Konsumenten mit einem entsprechenden Boykott ein starkes Signal gaben: Die Ausbeutung der Muslime durfte nicht weitergehen. Doch die pakista- nische Regierung war nicht sehr beeindruckt. Die Bevölkerung ihres Landes war etwa halb so groß wie die der USA - ein riesiger Markt. Zwei Prozent der Staatseinkünfte stammten aus der Besteuerung der Coca-ColaVerkäufe.
Eine Sprecherin der Islamic Human Rights
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