Nicodemus
mit den Kobolden gesprochen habt.«
Boann schüttelte den Kopf. »Auf diese Weise wird er die Lektion nie vergessen.«
Missbilligend runzelte Shannon die Stirn, während sein Papagei die Stelle beäugte, wo Nicodemus gerade untergetaucht war. »Seid Ihr sicher, dass ihn dieses Kriegsspiel nicht umbringen wird?«
Als Göttin konnte Boann alle magischen Sprachen erkennen und in diesem Augenblick schoss eine indigoblaue Fontäne aus dem Wasser, die Nicodemus’ Angreifer hoch in die Luft katapultierte. Mit einem dumpfen Aufprall landete der Kobold im Uferschlamm. Kurz darauf tauchte Nicodemus triefend aus dem seichten Wasser auf. Sein Oberkörper war enblößt, von der Lende zog er sich einen Kriegstext.
»Ja, Magister, ich bin mir ganz sicher, dass es ihn nicht umbringen wird«, erwiderte Boann trocken. »Ich mache mir eigentlich mehr Sorgen um das Leben seiner Ausbilder.«
Verächtlich schnaubte der alte Stammesführer. »Jeder Kobold, der sich von einem Menschen, zudem einem Neuling in der Hautschrift, töten lässt, hat nichts Besseres verdient.«
Boann lächelte verkniffen. »Und wie gut beherrscht Nicodemus Eure Sprache?«
Der knorrige Kobold kratzte sich das glatte Kinn. »Wenn man bedenkt, dass er die Hautschrift erst diesen Herbst gelernt hat. Nie habe ich einen mit mehr Talent gesehen.«
Freimütig sagte Shannon: »Und genau das bereitet mir Sorgen. Mit der Rechtschreibung in unseren Sprachen wird es immer ärger. Er beherrscht nicht einmal mehr die einfachsten Zauber.«
»Magister! Boann!«, brüllte Nicodemus übers Wasser. »Hier wimmelt es nur so von Kobolden!« Zwei weitere Kobolde schlichen hinter Tarntexten verborgen das Ufer entlang. Der Kobold, den Nicodemus aus dem Wasser geschleudert hatte, war auch schon wieder auf den Beinen.
Boann rief Nicodemus zu: »Heute Nacht besteht Eure Aufgabe darin, Euch nicht einfangen zu lassen. Wenn es Euch gelingt, bis Sonnenaufgang durchzuhalten und Euch weder fesseln noch töten zu lassen, habt Ihr Eure Sache gut gemacht.«
Zufrieden betrachtete der Stammesführer den Kampf. »Ausgezeichnet. Nun bringen wir ihm bei, wie man einer Gefangennahme durch List entgeht. Im Spätherbst werden wir ihm dann Krieger anvertrauen und ihn lehren, eine Truppe zu führen. Er wird an der diesjährigen Neumondschlacht teilnehmen. Wenn die anderen Stämmeerst einmal mit eigenen Augen gesehen haben, wie stark er ist, wissen sie, dass wir unseren Retter endlich gefunden haben.«
Shannons Miene hatte sich verdunkelt. »Das würde ihn aber in den Zauberersprachen zurückwerfen und auch sein Fortkommen in Primus bremsen.«
Boann tat seine Einwände mit einer Handbewegung ab. »Das kann warten. Nach all den Entbehrungen wird ihm der Erfolg und der Status als Anführer gut tun.« Sie sah Shannon an. »Wenn Nicodemus außerhalb dieses Tals überleben soll, braucht er Zeit für die Kriegskunst, damit sie ihm in Fleisch und Blut übergeht.«
Unwillig kniff Shannon die weißen Augen zusammen. »Also bringen wir ihm alles bei, was er zum Überleben braucht. Warum aber sollten wir ihn in einen Kriegsherrn verwandeln?«
»Nicht in einen Kriegsherrn«, stellte Boann richtig, »sondern in einen Befehlshaber. Seine Halbschwester wird zur Zeit von trillionischen Generälen und ixonischen Admirälen unterwiesen. Sie ist diejenige, die die Streitkräfte der Menschen im Krieg der Sprachen anführen wird. Doch vorher muss sie noch den Primusschreiber aufspüren und töten, der es Fellwroth ermöglicht hat, einen Drachen zu schreiben. Ich bezweifle, ob sie weiß, dass man sie ausbildet, um ihren Halbbruder zu töten.«
In diesem Moment ertönte lautes Gejaule, Nicodemus hatte die Kobolde mit einer indigoblauen Druckwelle zu Boden gerissen und sprintete nun am Ufer entlang. Doch die Blauhäute rappelten sich hoch und nahmen grölend die Verfolgung auf.
»Im Vergleich zu den Häschern der Allianz nehmen sich Kobolde so harmlos wie Kätzchen aus. Und vergesst nicht, dass Taifon über einen halbfertigen Drachen verfügen wird«, sagte Boann zu Shannon. »Das ist die einzige Möglichkeit, Nicodemus am Leben zu erhalten.«
Shannon strich sich eine silberne Locke aus dem Gesicht. »Vielleicht hält diese Art von Ausbildung ihn körperlich am Leben, aber was geschieht dabei mit seiner Seele?«
Boann ließ ihren Blick wieder über den See schweifen und dachte über die Worte nach. »Shannon, mein neuer Freund«, sagte sie nach einer Weile, »das weiß ich auch nicht.«Shannon verfiel in eine
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