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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
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fügte die Vorsteherin hinzu. »Ich brauche sofort alle verfügbaren Wächter, bis wir die Plage im Griff haben. Die Gäste dürfen unter keinen Umständen von diesem Chaos erfahren. Es wäre eine Schande für die Akademie.«
    Und als gelte es ihren Standpunkt zu untermauern, reifte auf einer entfernt gelegenen Brücke eine gewaltige Silberkugel heran. Im nächsten Moment wurde die Bibliothek von einem Donnerschlag erschüttert.
    Amadi fuhr zusammen. »Ja, Magistra, sofort.«
    Doch die Alte ging bereits forschen Schrittes auf den Herd der Explosion zu, die Schar der Bibliothekare im Schlepptau.
    Amadi wandte sich an ihren Sekretarius. »Weck unsere schlafenden Schreiber und bring mir alle, die irgendwie entbehrlich sind. Sie sollen sich umgehend hier melden.«
    Fragend zog Kale die Augenbrauen in die Höhe. »Auch die Wachen beim Speicherturm und vor Magister Shannons Quartier?«
    Amadi atmete tief durch. »Lass die zwei Wächter, die Shannon beschatten, dort, aber zieh die Wachen vor seinem Quartier und auch die vor dem Speicherturm ab. Sobald wir die Plage unter Kontrolle haben, gehen sie wieder zurück auf ihre Posten.«
    »Wird sofort erledigt«, sagte Kale und stürmte davon.

Kapitel 24
    Seltsamerweise wusste Nicodemus, dass es ein Traum war.
    Schwarze und graue Worte umschäumten ihn und bildeten einen Tunnel aus nicht enden wollendem, sinnlosen Sprachbrei. Er drang tiefer in den Tunnel ein. Über ihm ertönte Magister Shannons Stimme: »Das begreife ich nicht. Schildkröten?«
    Dann hörte er sich selbst: »Schaut auf das sechseckige Muster …«, – die Worte wurden schwächer – »… eines Schildkrötenpanzers.«
    Die Stimmen erstarben, und stattdessen war eine ganze Weile nur noch rhythmisches Geklapper zu hören.
    Und dann stand Nicodemus auf einmal in der Höhle aus seinem letzten Albtraum, mit der gleichen niedrigen Decke, dem grauen Boden und dem schwarzen Steintisch. Wieder war die Gestalt auf dem Tisch von einem bleichen Gewand verhüllt. Abermals hielt sie den tränenförmigen Smaragd in den behandschuhten Händen.
    Neu war dagegen der Menhir: Breit wie ein Pferd und mannshoch ragte er hinter dem schwarzen Tisch hervor, von oben bis unten war er von drei wellenförmigen Linien durchzogen.
    Weiße Reben schossen aus dem Boden hervor und wogten in einem nicht spürbaren Wind. Aus den Reben sprossen bleiche Efeublätter und verschlangen sich ineinander. Innerhalb weniger Augenblicke war der Boden kniehoch mit Albinoefeu überwachsen.
    »Es war der Sklave des Dämons«, rollte eine tiefe Stimme, die von allen Seiten gleichzeitig zu kommen schien. »Ich habe ihn im Fluss erstochen.« Die Stimme erhob sich. »Ich habe ihn im Fluss erstochen!«
    Nicodemus wollte fliehen, doch die blassen Ranken hatten sich um seine Beine geschlungen. Er wollte schreien, doch ihm entrang sich nur ein schmerzliches Fauchen. Als er sich bückte, um sich vomUnkraut zu befreien, erstarrte er: Seine Hände waren mit den sechseckigen Platten der Schildkrötenpanzer überzogen. Unversehens konnte er nicht einmal mehr die Augenlider bewegen. Vom kleinen Zeh bis hin zu seinem Haupthaar war er in einem schwarzen Panzer eingeschlossen.
    »ICH HABE IHN IM FLUSS ERSTOCHEN !«
    Nicodemus wurde von einem glühend roten Licht erfasst. Mit allen Fasern seines Körpers durchlitt er unerträgliche Schmerzen, und sein Panzer barst.
    Als er aufschaute, nahm er den Lichtkegel des Smaragds wahr – er war fahl und dünn an den Rändern, doch im Kern grün funkelnd. Der kleine Stein leuchtete immer heller, bis sein Licht die Höhle und alles mit ihr verzehrte.
    Über ihm erstreckte sich ein blassblauer Himmel, zu seinen Füßen wucherte Elefantengras. Uralte Eichen standen versprengt an einem Hang, von dem aus man einen Blick auf das grüne Wasser eines riesigen Reservoirs bekam. Nun erkannte Nicodemus die Landschaft wieder: eine spirische Frühlingswiese unweit der Festung seines Vaters.
    Mitten auf der Wiese diente ein ramponiertes Laken als Sitzgelegenheit für einen jungen Mann und eine Frau. Sie war von seltener Schönheit, hatte eine blasse, zarte, leicht sommersprossige Haut; glänzend haselnussbraune Augen saßen über einer Stupsnase, den schmalen Lippen und einem zierlichem Kinn.
    Am atemberaubendsten aber war ihr langes, bronzefarbenes Haar, das ihr in sanften Locken über den Rücken fiel und im Licht der Sonne golden glänzte.
    In ihrem Schoß lag ein Buch, ein Ritterroman. Ihre Lippen bewegten sich beim Lesen, doch im Traum war

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