Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Charlton
Vom Netzwerk:
zu Ross, stürmten aufeinander los. Ein Soldat kämpfte mit einem Speer gegen ein schwarzes, schuppenzüngiges Monster.
    Nicodemus legte sich zurück, stützte den Kopf aufs Kissen und überflog die erste Zeile erneut. Doch noch immer wollten die Buchstaben keinen Sinn ergeben. Langsam und bedächtig fuhr er mit dem Finger über die Illuminationen. Morgen früh würde er sich wahrscheinlich sentimental schelten, aber jetzt hob sich seine Brust und er seufzte schwer.
    Als kleiner Junge hatte er sich immer gern in solche Geschichten geflüchtet. In seinen Träumen hatte er den nahen Wald mit imaginären Ungeheuern bevölkert, die er bezwingen wollte. Er wollte damals ein Held sein. Nun spürte er einen Nachhall seiner kindlichen Sehnsucht in seinem Herzen. Zögernd ließ er das aufgeschlagene Buch auf die Brust sinken. Er schloss die Augen und begab sich auf die Suche nach den Träumen seiner Jugend.
    Er wollte einen Vogelschwarm erblicken, der weiß wie frischgefallener Schnee über die blanken Bergzinnen und das tiefe Tal kreiste; wollte ein Schwert am Gürtel tragen und bei Sonnenaufgang in ebendieses Tal hinabschreiten; wollte erleben, wie sich die Nacht über die Wasserfälle senkte und der goldene Schein des Feuers aus den Hütten der Menschen drang. Sanft schlummerte er ein. Träumte von all den Dingen, nach denen er sich sehnte – und fand Frieden.
    Doch dann begannen die Albträume.
     
    Mühsam unterdrückte Magistra Amadi Okeke ein Gähnen, als sie ein weiteres Mal mit ihrem Sekretarius um den Daganischen Hof patrouillierte.
    »Aber wenn nun weder Shannon noch Nicodemus etwas mit den jüngsten Todesfällen zu tun haben?«, fragte Kale und rieb sich die Augen.
    Es war spät, und seit Stunden schon sprachen sie über nichts anderes als ihre Untersuchung.
    Während Amadi sich Kales Frage durch den Kopf gehen ließ, blickte sie in den Hof. Das weitläufige Geviert lag im Schein glühender Worte, die über die umliegenden Spitztürme und Bogengänge verstreut waren.
    Der Daganische Hof wurde von schmalen Wegen in vier Teile geteilt. Jedes bestand aus einem Blumengarten mit Steinbänken, die im Schutz von Sträuchern und Büschen lagen. Auf einigen Bänken saßen grün gewandete Oberpriester und genossen die frische Luft, nach einer langen Nacht der Vertragsverhandlungen in den stickigen Bibliotheken.
    In der Mitte des Hofs stand ein Espenwäldchen, das äußere Laub trug bereits sein goldenes Herbstkleid.
    Amadi drehte sich zu Kale um. »Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass wir auf einen Gesandten oder anderen Gelehrten stoßen, der Nora übel gesinnt war. Deshalb müssen wir uns auf Shannon konzentrieren.«
    Kale schüttelte den Kopf. »Magistra, Ihr habt immer gesagt, ein Wächter könne es sich nicht erlauben, unwahrscheinliche Möglichkeiten auszuklammern. Sollten wir nicht noch weitere Starhavener Zauberer und Gesandte fremder Delegationen befragen?«
    »Kale, du ärgerst dich, weil ich einige deiner Verfasser von der Untersuchung abgezogen habe. Aber wir sind knapp an Zauberern, und wir müssen gleichzeitig den Speicherturm und Shannon bewachen.« Sie stöhnte auf. »Nach wie vor wundere ich mich über seine Geschichte von dem Wesen, das sich von Fleisch zu Ton gewandelt hat.«
    Achselzuckend sagte Kale: »Vielleicht hat der Alte nicht mehr alle sieben Sinne beieinander.«
    »Oder er will es uns glauben machen. Oder Nicodemus ist tatsächlich der Unglücksbote und hat den alten Narren bereits korumpiert. Die beiden sind gefährlich.«
    Kale sah sie an. »Und was ist mit der Bitte des Provost, mehr Wachen vor die Unterkünfte der Abgesandten zu postieren?«
    Amadi rieb sich die Augen. »Ach du lieber Himmel, da sagst du etwas. Wenn einer der Gesandten ums Leben käme, würde man mir den Kopf abreißen. Doch woher sollen wir noch mehr Zauberschreiber nehmen?«
    »Ich habe die Wehre am Speicherturm inspiziert«, begann Kale vorsichtig. »Nur ein meisterhafter Zauberschreiber könnte sie durchbrechen. Möglicherweise sind die Wächter dort überflüssig?«
    Nachdenklich kaute Amadi auf ihrer Unterlippe, während sie um eine Ecke bogen. »Verlockend, aber lieber nicht. Bis ich Genaueres über Shannons Geschichte weiß, lassen wir die Wachen dort. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass er die Wahrheit sagt.«
    Kale schwieg.
    Amadi schaute sich zum Hof um. »Starhaven muss das seltsamste Fleckchen Architektur sein, das je von Menschen bewohnt wurde.«
    »Und warum?«
    Zunächst deutete sie auf den Daganischen

Weitere Kostenlose Bücher