Nicolai
mir und nahm mich liebevoll in seine Arme. „Hab keine Angst, ich
beiße dich nicht.“ Er drückte mich fest an sich und gab mir wieder zärtlich einen
Kuss auf meine Stirn. Dann fing er an zu erzählen.
„Es
war das Jahr 1871, in Schottland, an meinem 40. Geburtstag. Stephano, mein
Bruder, gab für mich eine kleine Geburtstagsfeier. Er lud mich und meine
Familie zu einem Festessen in ein Schloss ein. Ziemlich weit abgelegen von dem
Ort an dem ich damals mit meiner Frau und meiner Tochter wohnte. Ich hatte
keine Ahnung wer der Schlossbesitzer war, ich wusste nur, dass Stephano sich oft
mit seltsamen Freunden umgab. Merkwürdige Gestalten. Stephano selbst hatte sich
auch irgendwie verändert. Er war immer nächtelang unterwegs. Wir hatten uns nur
noch gestritten, ich bin an ihn nicht mehr richtig rangekommen. Es war, als ob
er neidisch war auf meine Frau und meine Tochter, auf mein Zuhause, auf meine
Arbeit, auf das was ich mir aufgebaut hatte. Darum freute ich mich umso mehr, dass
Stephano für mich eine Geburtstagsfeier ausrichten wollte. Das machte mich sehr
glücklich. Ich begab mich also am Abend meines 40. Geburtstages mit meiner Frau
und meiner Tochter zum Schloss. Stephano erwartete bereits uns am Schlosstor
und begrüßte uns überschwänglich freundlich. Aber irgendwie wirkte er sehr
nervös. Er begleitete uns in den großen Festsaal. Eine große lange Tafel stand
mitten im Raum, mit wunderbaren Köstlichkeiten gedeckt. Stephano bat uns Platz
zu nehmen. Alexandra, meine Frau, sah mich misstrauisch an. Und ich selber
spürte eine große Unbehaglichkeit. Plötzlich erschien ein sehr großer Mann in
Begleitung eines weiteren Mannes. Beide Männer trugen schwarze Umhänge, sie
waren extrem blass und ihre Augen waren weder blau noch braun, sondern rot, blutrot.
Ich blickte zu Stephano und erschrak. Auch seine Augen färbten sich auf einmal
rot. Der große Mann starrte gierig meine Tochter an, während Stephano mit
seinen Augen an meiner Frau hing. Der andere Mann fixierte mich mit seinem
düsteren Blick. Auf einmal wehte ein kalter Luftzug durch den Saal, alle Kerzen
erloschen. Es war stockdunkel. Ich hörte noch meine Frau und Tochter aufschreien,
dann biss mir jemand in meinen Hals und ich sank zu Boden. Als ich wieder zu
mir kam, befand ich mich in einem fremden Haus. Ich hatte fürchterliche
Schmerzen und das Gefühl, als ob mein ganzer Körper brannte. Es dauerte 2 Tage
und 2 Nächte, dann war ich verwandelt und verdammt bis in alle Ewigkeit. Von
nun an war ich ein Vampir, dem es nach Menschenblut dürstete. Viktor, der mich
im Wald gefunden hatte und mich in sein Haus aufnahm, kümmerte sich rührend um
mich und half mir in meinem neuen Leben irgendwie zu Recht zu kommen, ohne dass
ich ein blutsaugendes Monster wurde. Er war auch ein Vampir, aber ein Guter. Und
er wusste, wie man das Jagen, dem Trieb nach Blut, umgehen konnte. Nämlich in
dem man friedvoll den Menschen das Blut abzapfte. Er hatte ein Labor und
behauptete allerorts, wie gesund es sei, jeden Monat ein Liter Blut abzugeben.
Das glaubten die Menschen und viele taten es. So viele, dass immer mehr Vampire
sich uns angeschlossen hatten und lernten, ihren Jagdtrieb zu unterdrücken. Im
Laufe der Zeit nahm ich mein Schicksal immer mehr an und versuchte das Beste
daraus zu machen. Und Viktor wurde so etwas wie mein Vater. Ohne ihn wäre ich
verloren gewesen. Meine Frau und meine Tochter habe ich nie mehr gesehen. Ich
weiß nicht was aus ihnen geworden ist. Nur Stephano taucht ab und zu auf, so wie
gestern. Und jetzt habe ich wieder etwas, was er haben möchte. Dich!“
Es
war ganz still im Zimmer. Nicolai drückte mich fest an seine Brust. Ich spürte
seinen kalten Atem. Zärtlich glitten meine warmen Finger in seine kalten Finger.
Wir hielten uns eng umschlungen fest. Ich liebte Nicolai, jetzt noch umso mehr
wo er mir sein Geheimnis anvertraut hatte. Mein Herz gehörte schon lange ihm, das
war mir klar. Nicolai war mein
Schicksal. Doch war es mein Schicksal auch ein Vampir zu werden? Ewige Jugend? Solange
ich nicht verwandelt bin, müsste Nicolai ständig um mich herum sein, zu jeder
Zeit, an jedem Ort. Nur damit Stephano mich nicht bekommt. Ich wusste mehr als
genau, dass das für Nicolai kein Problem sein würde, mich rund um die Uhr
beschützen zu wollen. Nichts lieber als das würde er für mich tun. Ich richtete
mich auf und setzte mich neben Nicolai. Er rückte näher an mich ran und strich
mir sanft eine Haarsträhne aus
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