Nicolai
als du annimmst. Frage bitte nicht wieso? Um
Abstand zu gewinnen, werde ich noch heute verreisen, für Wochen, vielleicht für
Monate. Ich muss dich vergessen. Darf dich nicht sehen, dich nicht riechen,
dich nicht berühren. Pass auf dich auf, verzeih mir. Nicolai.“ Heulend warf ich
mich auf das Sofa, den Brief hielt ich ganz verkrampft in meiner Hand. Ich
starrte an die Decke und verspürte einen unendlich tiefen Schmerz in meiner
Brust und eine noch viel größere Sehnsucht nach Nicolai. Es war doch alles so
schön. Warum dieser Abschied?
Böser Dämon, guter Dämon
So
wie ich gestern auf dem Sofa verzweifelt eingeschlafen war, so verzweifelt
wachte ich auf. Den Brief von Nicolai hielt ich immer noch in meinen Händen. Es
war also kein Traum, es war die bittere Realität. Nicolai hatte mich verlassen,
noch bevor es überhaupt richtig angefangen hatte. Aber warum? Was meinte er
damit? Das er anders ist? Dass er nicht der richtige Mann für mich sei? Warum
sind Männer immer so kompliziert? Ich stand auf und schwankte etwas benommen
durch meine Wohnung in Richtung Badezimmer. Erst Mal duschen, einen Kaffee und
dann ins Büro. Vielleicht ist Nicolai doch nicht abgereist. Vielleicht hat er
es sich ja doch noch anders überlegt.
Während
ich in der U-Bahn saß, dachte ich an den gestrigen Tag. Ich dachte nicht nur
daran, dass Schwester Sophia gestorben war, sondern auch daran, dass ich wohl
ein Nachkömmling des größten Vampirjägers aller Zeiten sein sollte. Van Helsing , den Namen hatte ich schon oft gehört. Aber immer
nur in Filmen. Oder aus Büchern. Und jetzt existiert dieser Name wirklich. In
meinem Leben. Ich kann das einfach nicht glauben. Vielleicht war mein Vater
verrückt und er hat sich das nur eingebildet. Ich blickte aus dem Fenster in
die Dunkelheit hinein. Wie gerne hätte ich meine Mutter gekannt. Wie sie wohl
war? Warum habe ich eigentlich nicht das Foto aus der Schatulle mitgenommen?
Der
Zug hielt und ich stieg aus. Als ich aus dem U-Bahntunnel heraus kam lachte
mich die Sonne an. Es war ein herrlicher Septembertag. Die Blätter an den
Bäumen färbten sich langsam bunt. Schnell ging ich in Richtung Büro. Vom weitem
fiel mir auf, dass die Jalousien an jedem Fenster hinuntergezogen waren. Warum
das denn? Leicht wütend ging ich hinein und wollte gerade den Knopf drücken, um
die Jalousien wieder hochzufahren, als mir die Schwester von der Rezeption
zuvorkam und ihre Hand auf den Knopf legte. „Heute nicht, Alexandra. Lass die
Jalousien bitte unten. Die Räume heizen sich sonst so auf.“, sprach sie zu mir.
Ich sah sie erstaunt an und wollte gerade was erwidern als sie mir wieder
zuvorkam. „Nicolai ist verreist. Er kommt die nächste Zeit nicht. Er bittet
dich, ihn zu vertreten, in allen Belangen.“, sagte sie jetzt in einem ernstem
Ton, drehte sich um und ging an ihren Arbeitsplatz. Ich schluckte, als ich das
hörte. Das ich ihn vertreten sollte war kein Problem für mich. Aber das er
wirklich verreist war, das war wirklich ein Problem.
Traurig
ging ich in mein Büro. Auf meinem Schreibtisch standen noch die wunderschönen
Rosen von gestern. Ich nahm die Vase vom Tisch und ging zum Waschbecken, um
ihnen frisches Wasser zu geben. Ich fühlte mich unendlich traurig, verlassen
und allein. Erst jetzt fiel mir auf, wie sehr mir Nicolais Anwesenheit hier
fehlte. Vielleicht habe ich auch zu lange gezögert? Missmutig ließ ich mich auf
meinen Stuhl fallen, zum Arbeiten hatte ich heute keine Lust. Dabei stapelten
sich die Rechnungen und Bestellungen für die Firma. Widerwillig machte ich mich
an die Arbeit heran und versuchte meine Sehnsucht nach Nicolai damit zu
stillen.
Die
ganzen nächsten 2 Wochen zogen sich qualvoll für mich hin. Ich schleppte mich
regelrecht ins Büro. Und die Arbeit wurde nicht weniger. Kein Wunder, dass
Nicolai eigentlich nie richtig Zeit für mich hatte. Denn erst jetzt bemerkte
ich, wie viel es hier zu tun gab. Während ich am Computer saß und die
Rechnungen eintippte, klingelte mein Handy. Ich erschrak. Nicolai? Ich blickte
auf das Display. Nein, er war es nicht. Enttäuschung stieg in mir auf. Es war
Maria. Mit ihr hatte ich ja schon eine Ewigkeit nicht mehr telefoniert. Nehme
ich ab oder nehme ich nicht ab. Ich nehme ab. „Hallo Maria, das ist schön dass du anrufst.“, sprach
ich ins Telefon und versuchte dabei recht freundlich zu wirken. „Na du bist ja
eine treulose Tomate. Hast mich wohl total vergessen. Na kein Wunder, bei dem
Mann?
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