Nie genug (German Edition)
mir kommt. Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen, und es scheint beinahe, als könnte ich in seine Seele sehen.
„Du hast abgenommen“, bemerkt Sam vom Bett aus. Er beobachtet, wie ich sein Shirt überziehe und mir vor dem Spiegel die Haare ausbürste.
„Kann schon sein“, bemerke ich beiläufig. Natürlich ist mir selbst aufgefallen, dass meine Hosen wieder richtig passen. Ich war schwer geschockt, als die Waage gestern fünf Kilo weniger angezeigt hat.
„Du hältst mich auf Trab.“
„Das ist hoffentlich etwas Gutes?“ Er hat sich einen Kissenberg in den Rücken gepackt und sitzt halb aufrecht, sein Unterleib nur teilweise vom Oberbett bedeckt. Die Sonne scheint durchs Fenster und taucht ihn in ein fast unwirkliches Licht. Die Verlockung ist groß, mich wieder zu ihm zu gesellen und mit der Zunge seine Tattoos zu erkunden.
„Das ist etwas sehr Gutes, Samuel.“ Ich gewöhne mich immer mehr an diesen Namen.
„Ich hab einfach nicht mehr so viele Gründe zum Frustfressen. Aber jetzt zieh dich an, ich brauche einen Kaffee.“ Ich schmeiße ihm seine Hose entgegen, die er geschickt auffängt. Doch er legt sie nur beiseite und steigt nackt aus dem Bett. Er stellt sich vor mich und schiebt mich vor den Spiegel.
„Schau mal“, sagt er und zieht sein Shirt an meinem Rücken hoch, um mir zu zeigen, was er gemalt hat.
„Du hast es noch fertig bekommen?“ Fassungslos starre ich auf das Motiv auf meinem Rücken. Er hat ein Tintenfass mit einer Feder gezeichnet. Die Federspitze schreibt gerade den letzten Bogen des Wortes Beautiful . Das erkenne ich sofort, obwohl ich es nur spiegelverkehrt lesen kann.
„Sam“, flüstere ich. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“
„Ein passendes Tattoo für meine schöne Schriftstellerin.“ Er scheint seltsam verlegen, und drückt mir nur einen kurzen Kuss auf den Scheitel, bevor er im Bad verschwindet.
Ich stehe an der Kaffeemaschine, als Sam sich an mich ran schleicht und die Arme um meine Mitte schlingt. Entspannt lehne ich mich an ihn und lege meine Hände auf seine.
„Sag’s mir“, fordert er. „Was war da vorhin los?“
„Was meinst du?“
„Die Sache mit dem Foto. Emma, ich bin so froh, dass du dich nicht mehr vor mir versteckst, aber ich würde das nie gegen deinen Willen tun. Kannst du mir erklären, wo diese heftige Reaktion herkam?“
Ich drehe mich zu ihm und lege meine Handflächen auf seinen nackten Bauch.
„Setz dich.“ Mit einem Kuss aufs Brustbein schiebe ihn zum Küchentisch und bringe den Kaffee für uns mit. Ich seufze, und überlege, wie ich ihm das verständlich machen kann.
„Sam, mein Ex war ein Kiffer. Es ist nicht so, dass ich prinzipiell dagegen bin. Für mich ist es nicht schlimmer als Alkohol. Jedenfalls hatte er es nicht im Griff. Zum Schluss war er fast nur zugedröhnt. In diesen Momenten hatte er wenig Respekt vor meinen persönlichen Grenzen. Unser Sexleben war nie besonders häufig und erwähnenswert, aber wenn er bekifft war, dann hatte er eine gewisse Anspruchshaltung, und hat versucht, diese durchzusetzen.“
Ich spüre Sams Anspannung und mir ist klar, dass er das missversteht, bevor er auch nur ein Wort gesagt hat.
„Hat er dich vergewaltigt?“
„Oh Gott, Sam. Nein, das hat er nicht. Es hat ihn nur nicht interessiert, ob ich Lust hatte. Er hat es ziemlich penetrant versucht, und wenn ich nicht wollte, dann hat er sich beleidigt verzogen.“
„Erklär mir, was das vorhin ausgelöst hat. Ich will es verstehen, aber ich kann dir gerade nicht ganz folgen. Hast du dich von mir bedrängt gefühlt?“
„Wie ich schon sagte, es war ein Reflex. Ich war völlig entblößt vor dir, und du redest von einem Foto. Für einen Moment dachte ich, du hättest schon dein Handy oder eine andere Kamera in der Hand. Sam, ich weiß, dass du nicht so bist.“ Ich nehme seine Hand und küsse ihn auf die Handfläche, wo ich mich selbst riechen kann.
„Was hat er noch getan?“, fragt Sam. Das war noch nicht alles, und er spürt das auch. Mit meiner Wange an seiner Handfläche schließe ich die Augen.
„Er hat es zweimal geschafft, mit mir zu schlafen, während sein Kumpel im Wohnzimmer saß. Ich wusste nicht, dass er noch da war. Er hat mit voller Absicht die Schlafzimmertür weit aufgelassen, damit sein Freund auch alles hört. Er hätte nur einen Blick um die Ecke werfen müssen, was er vermutlich auch getan hat, und er hätte alles gesehen. Ich hab mich so geschämt. Das hat er mit voller Absicht
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