Nie genug (German Edition)
machen wir hier?“, flüstere ich.
„Zeig ich dir jetzt“, wispert er. „Aber wir müssen nicht flüstern, Em. Wir tun nichts Verbotenes hier“, fährt er in einer normalen Lautstärke fort und grinst mich an.
„Dann zeig mir, was du hast“, fordere ich, während Sam seinen Schreibtisch durchsucht.
Er sieht auf und zieht eine Augenbraue hoch.
„So gerne ich das auch würde, aber du hast deutlich gemacht, dass du daran nicht mehr interessiert bist.“
„Sam, bitte. Das habe ich nicht gesagt.“
„Lassen wir das“, winkt er ab. „Heute ist der falsche Zeitpunkt dafür.“ Er zieht einen Hefter aus der Schublade und winkt mich zu sich.
„Was ist das?“, frage ich, als er mir ein Foto hinhält. Es ist ein Tattoo mit sechs schattierten Sternen, die eine Spur Sternenstaub hinter sich herziehen.
„Das ist schön, aber warum zeigst du mir das?“
Er kommt zu mir und legt einen Arm um meine Schulter. Ich kann nicht anders, als mich an seinen warmen Körper zu lehnen.
„Ich hab dir erzählt, dass meine Mutter ein paar Fehlgeburten hatte. Das habe ich auf ihrer Schulter gemacht.“
„Oh. Okay. Ist ihr das nicht unangenehm, wenn du mir das zeigst?“
„Nein, Em. Das ist in Ordnung. Sie weiß, dass ich das nicht jedem zeige, und dass ich auch nicht jedem die Bedeutung erkläre.“ Er küsst mich auf den Scheitel und zieht mich noch enger an sich. Ich vermisse ihn so.
„Was ist die Bedeutung?“
„Meine Mutter hat genauso empfunden wie du. Sie hat mir gesagt, auch wenn das vielleicht etwas überemotional ausgedrückt ist, dass sie sich wie eine Mutter fühlte, obwohl sie kein Kind hatte. Noch nicht mal ein Grab, an dem sie trauern konnte. Ich bin ein Kerl, Emma. Deswegen verzeih mir, wenn ich mich ungeschickt ausdrücke, aber ich versuche, es zu verstehen. Es ist vielleicht etwas kitschig, aber fehlgeborene Babys nennt man auch Sternenkinder. Deswegen wollte meine Mutter dieses Tattoo haben. Damit hat sie eine greifbare Erinnerung.“ Sam wischt mir eine verirrte Träne aus dem Augenwinkel. Ich bin diese verfluchte Heulerei so müde.
„Das ist wirklich eine schöne Idee, Sam.“
„Gefällt dir das? Könntest du dir so etwas vorstellen? Versteh mich nicht falsch. Ich möchte dich tätowieren, aber ich würde dir das nicht aufschwatzen. Nur heute, nach diesem Tag, würde ich furchtbar gerne etwas für dich tun.“
„Ich möchte das.“ Meine Antwort überrascht mich selbst, aber ich meine es so. Die Idee eines Tattoos beschäftigt mich schon so lange. Seit Sam auf meinem Rücken gezeichnet hat, bin ich mir sicher, dass ich eins möchte. Diese Idee ist einfach perfekt.
„Ehrlich?“ Sam scheint wirklich überrascht.
„Ja, ehrlich.“
„Also, was möchtest du? Ich kann dir etwas zeichnen, aber das dauert einen Moment. “Er greift sofort nach Block und Stift und will sich an die Arbeit machen, doch ich lege meine Hand auf seine, um ihn zu stoppen.
„Du musst nichts zeichnen. Ich will nur zwei Sterne, wenn das in Ordnung ist.“
„Zwei?“ Sam sieht mich verwirrt an.
„Einen für meinen Papa. Und ich möchte es nicht schattiert, einfach nur zwei schwarze Sterne. Einen ganz Kleinen und einen etwas Größeren daneben. Geht das?“ Meine Hände zittern, aber jetzt, weil ich so aufgeregt bin. Bevor ich mir dessen bewusst werde, dass ich mich schon wieder kratze, nimmt Sam meinen Arm und legt seine flache Hand auf die wunde Stelle in meine Armbeuge.
„Alles, was du möchtest, Emma. Aber nur, wenn du dir sicher bist. Und wenn du mit diesem Mist nicht aufhörst, dann muss ich dich küssen, sobald du auch nur einen Ansatz machst, dich zu kratzen. Klar?“ Als ob das eine Strafe wäre.
„Klar. Und ja, ich bin mir sicher.“
Sams Nervosität ist spürbar, als er die Umrisse der Sterne hinter mein Ohr zeichnet.
„Es wäre sauberer, wenn ich eine Vorlage nehme. Das machen wir bei den Sternen eigentlich immer so, weil es unmöglich ist, die per Hand symmetrisch hinzubekommen.“
„Ich will es so, Sam. Ich will, dass es von dir ist.“
„Du machst mich fertig, weißt du das?“ Er streicht meine Haare beiseite, obwohl er sie schon mit einer großen Klammer fixiert hat. Ich spüre seinen warmen Atem in meinem Nacken und bekomme eine Gänsehaut am ganzen Körper.
„Was mache ich denn?“ flüstere ich, weil er so nah ist.
„Nichts, Emma. Gar nichts.“ Ich höre ihn schwer schlucken, und wenn ich den Kopf drehen würde, dann würden sich unsere Lippen treffen.
Sam legt den Stift
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