Nie wieder Ferienhaus
kochen, das konnte er!
Aber vor den Genuss hat der liebe Gott das Mosselen plukken gesetzt. Die Miesmuscheln wachsen an den Wellenbrechern, an den großen Holzbarrieren, die vom Strand aus wie lange schwarze Finger ins Meer zeigen.
Zunächst mal müssen sämtliche Kalender studiert werden. Die besten Muscheln pflückt man Anfang September, vorher sind sie zu klein. Die dazu benötigte Information geht schon mal aus dem normalen Kalender hervor. Zusätzlich muss man aber den Gezeitenkalender zurate ziehen, denn es sollte schon Ebbe sein! Auch bei Niedrigwasser wachsen die Muscheln dummerweise sehr weit unten an den Pfählen, aber bei Flut noch viel weiter unten, abgesehen davon wird man bei Flut von den Wellen immer wieder gern gegen deren Brecher geschubst.
Mit ein bisschen Glück kann man sie mit weit nach unten gestrecktem Arm abpflücken, ohne den Kopf unter Wasser bringen zu müssen. Aber wann hat man schon mal Glück, meistens muss man schon ein bisschen tauchen. Ben hat mir erzählt, einmal war beim Mosselen plukken die Strömung so fies, da wurden die Taucher angeseilt. Ralf war so heftig gegen die muschelbewachsenen Poller gedrückt worden, dass sein neuer Neoprenanzug hinterher regelrecht zerfetzt war. Ich fragte mich, warum Ralf beim Camping einen Neoprenanzug dabeihatte, so schlecht ist das Wetter in Holland nun auch wieder nicht.
Es muss damals wirklich schlimm gewesen sein, denn er sagte, sie hatten an diesem Tag nur die Duitsers losgeschickt. Klar, Deutsche gibt es so viele, da kann man auf den einen oder anderen schon mal verzichten.
An unserem Mosselen-Plukk -Tag lag die Nordsee still und fast wellenlos vor uns, die perfekte Voraussetzung. Als Mosselen -Zwischenlager führten wir eine babyblaue Plastikbadewanne mit, sodass die erbeuteten Miesmuscheln sofort in dieses Behältnis abgeliefert werden konnten.
Vier oder fünf Krebse erbeuteten wir sozusagen als Kollateralfang. Ich wollte gerade einen wieder ins Wasser zurückwerfen, da protestierte Jan: »Die sind besonders köstlich!«
Wir schleppten die Plastikbadewanne an den Strand, und jetzt kamen die Taschenmesser zum Einsatz. Die witte Puntjes mussten entfernt werden. Witte Puntjes ! Wenn Sie jemals an der Nordsee Muscheln gesammelt haben, dann haben Sie auch auf den Miesmuscheln diese weißen Pocken gesehen. Als kleiner, dicker Junge hatte ich mir immer vorgestellt, die Muschelschale wäre eine vulkanische Insel und viele weiße Krater ragten auf ihr in den Himmel.
Wir knieten mit sechs Männern im Kreis über einem großen Haufen Muscheln am Strand, aber es war kein normaler Strand. Was wir nicht wussten, Quatsch, natürlich wussten wir es, wir hatten es verdrängt, oder wir hatten einfach nicht mehr daran gedacht: Die besten und vor allem die meisten Muscheln gab es natürlich genau an dem Wellenbrecher, der vom Nacktbadestrand aus seinen Finger ins Meer streckte.
Für die – im wahrsten Sinne des Wortes – umliegenden Sonnenanbeter mussten wir natürlich ausgesehen haben wie eine Voodoo-Horde, wie wir da im Kreis hockten und einem Haufen Miesmuscheln huldigten. Es bildeten sich mehrere Kringel von Schaulustigen. »Wat zijn jullie aan het doen?« Als ich meinen Blick nach links oben richtete, sah ich in eine Wand von nackten Leibern.
»Was macht ihr da?« – »Nun wir machen die Muscheln sauber.« – »Warum?« – »Weil wir die gleich essen werden!«
Unsere Erklärung musste die schaulustigen Nackten sehr amüsiert haben. Sie lachten, dass nicht nur die Bäuche wackelten. Aber ihre Neugier war scheinbar befriedigt. Sie wandten sich einer nach dem anderen ab und wurden wieder zu »umliegenden« Sonnenanbetern.
Rinus konnte sich auf dem Heimweg überhaupt nicht mehr einkriegen vor Lachen. Auch Jan und Ben überfielen nach einer kurzen Erklärung Heiterkeitsausbrüche. Es musste ein guter Spruch nach dem nächsten gefallen sein, nur: Ich verstehe zwar eine Speisekarte auf Holländisch, aber keine Witze. »Was gibt es Lustiges? Wir wollen auch lachen!«
Sie wollten partout nicht damit rausrücken, sie wollten nur lachen, doch schließlich hatte ich Jan doch davon überzeugt: Wenn wir schon die Mosselen teilen, dann teilen wir auch die Witze!
»Also, als ich so im Sand kniete und dann von hinten angesprochen wurde, da habe ich mich umgedreht, und da habe ich Mosselen gesehen, kleine, große, junge, alte …!«
Als wir den Campingplatz erreichten, hatten sich die drei immer noch nicht beruhigt.
Zurück auf unserem Feld, waren
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