Nie wieder Ferienhaus
gepackt, und dann sind sie raus. Kinder störte der Regen scheinbar nicht. Warum eigentlich nicht?
Weil es meine Kinder waren! Und mich störte der Regen schließlich auch nicht.
Ich genoss die Zeit zum Lesen. Wie weit war Commissario Brunetti? Ich fingerte nach dem Buch, schlug es auf und las: »Eine Hitzewelle lag über Venedig!«
Man musste ja auch nicht lesen. »Wir könnten ja mal ein paar Ansichtskarten schreiben. Ich gehe in den Supermarkt und hol welche.« Ich nahm meine Gummistiefel. »Hast du irgendwelche Adressen mitgenommen? Oder kennst du die Postleitzahlen auswendig?«
Nein! Ich hatte keine Adressen mitgenommen, und ich kannte die Postleitzahlen nicht auswendig, aber die Telefonnummern. »Ich kann ja zu Hause anrufen und nach der Postleitzahl fragen!«
Sie antwortete nicht, sie musste auch nicht antworten. Ich stellte die Gummistiefel wieder weg. Ich setzte mich an den Tisch und schaute aus dem Vorzeltfenster. Tristan spielte mit Michel und Jonas. Edda spielte mit einem kleinen Mädchen in einem roten Regencape; ich war mir nicht ganz sicher, aber ich glaubte, sie noch nie gesehen zu haben. Hilde verließ das Vorzelt mit dem Autoschlüssel, aber ohne Heinrich, Benedikt und Sophia. »Anne, komm mal schnell! Schau mal, was meinst du?« Jetzt waren wir wieder aufgefallen. Hilde grüßte herüber und verschwand Richtung Parkplatz. »Eindeutig Sonnenbank!«
»Hast du Lust, ein bisschen zu kniffeln?«
Ich hatte eine Vier zu wenig und deshalb keinen Bonus. Anne hatte den Bonus, dazu den Vierer-Pasch mit neunundzwanzig.
Heinrich stand jetzt im Eingang seines Vorzeltes und hatte ein Glas Grimbergen in der Hand. Ha! Das wollte ich sehen! Kaum fielen ein paar Tropfen Regen, schon braucht der den Happymaker! Gut, dass ich das nicht nötig hatte!
Anne hatte einen Kniffel.
Tristan und Edda kamen vom Spielen. »Papa, hast du das Mädchen eben gesehen? Das war Amelie, das ist meine neue Freundin!« Wir schälten die beiden aus ihren nassen Klamotten. Wieso man eine Regenhoseund eine Regenjacke trug, wenn sich das ganze Wasser nicht außen, sondern innen sammelte, würde ich wohl nie begreifen.
Wir machten einen Familienausflug zu den Duschen. Anne und Edda nahmen den linken, Tristan und ich den rechten Eingang des Waschhäuschens. Es tat gut, die warme Dusche auf der Haut zu spüren. Als wir das Waschhaus verließen und es sprühte und regnete, wusste ich nicht mehr genau, warum wir so viel Zeit und Energie zum Trocknen von Haut und Haaren verwendet hatten.
Vielleicht könnte ich Hunger haben: »Wie wär’s mit Abendbrot? Wir könnten zum Pannekoekenbakker fahren. Der soll Pfannkuchen haben, die sind belegt wie Pizza!« – »Jetzt schon, es ist gerade fünf Uhr nachmittags!« – »Ja, später soll man auch nicht essen, sonst kann man sich die Dinger direkt auf die Hüfte tackern.«
Als das Wort Pizza fiel, veränderten sich die Mehrheitsverhältnisse schlagartig zu meinen Gunsten.
Der Pannekoekenbakker hatte die ungeheure Finanzkraft von Kindern – oder noch besser die von deren Eltern – erkannt. Die Buntstifte und die Ausmaltischsets lagen auf dem Tisch, bevor die erste Speisekarte kam.
Die Speisekarte bot den Kleinen nicht nur jede Menge Pfannkuchen, von denen sicher einige genau den kleinen Geschmack trafen – als süßen Belag konnte man Puderzucker oder Äpfel mit Zimt oder Kirschen wählen. Aber um die lieben Kleinen endgültig von diesem Tempel der Esskultur abhängigzu machen, griff der Pannekoekenbakker gar zu noch perfideren Ideen:
Wenn die Kinder zum ersten Mal die Kreationen Pannekoek Bolognese oder Pannekoek Gyros ausprobiert haben, ist es für den wohlwollenden Papa nahezu unmöglich, die Familie danach noch einmal zum Beispiel in ein schönes Fischrestaurant auszuführen. Ich warte auf den Tag, an dem erstmals Pannekoek Frites-Mayo angeboten wird.
Zu den Kinderpfannekuchen gab es unterschiedliche Überraschungen, entweder eine einfache Verrassing , eine Grote Verrassing oder eine Extra grote Verrassing ! So verließ man das gastliche Haus nach jedem Besuch mit einer Zugabe wie etwa einer Arielle-die-Meerjungfrau-Taschenlampe (Grote Verrassing) oder einer Frisbee-Scheibe (Normale Verrassing) .
Im Pannekoekenbakker herrschte dementsprechend ein Lärmpegel, wie man ihn normalerweise nur beim Sommerfest eines vierzügigen Kindergartens wahrnehmen konnte.
Nur ein einziges Mal während unseres Besuches fiel der allgemeine Geräuschpegel unter die Achtzig-Dezibel-Grenze: Ein kleines
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