Nie Wirst Du Entkommen
ertragen konnte. Was für eine Ironie.«
»Sie ist nicht ausgestiegen, Dr. Ciccotelli. Sie wurde rausgeworfen, oder sie wäre rausgeworfen worden, wenn es ihr nicht gelungen wäre, belastende Fotos mit ihr und einem Professor zu bekommen.«
Tess blinzelte. »Sie ist erstaunlich beständig, würde ich sagen.«
»Über das Sekretariat konnte ich eine von ihren ehemaligen Zimmergenossinnen ausmachen. Die Frau, die dort arbeitet, konnte Miller eindeutig nicht leiden und hatte daher keine Probleme, mich in die richtige Richtung zu weisen. Ich traf mich mit Kelsey, die jetzt Ärztin in Lexington ist. Auch sie erzählte bereitwillig vom drohenden Rauswurf und den Bildern. Miller hatte versucht, sie als Komplizin zu gewinnen, aber als sie ablehnte, wandte sie sich an die andere Mitbewohnerin.«
»Und wie haben Sie das mit dem organisierten Verbrechen herausgefunden?«, fragte Aidan ungeduldig.
»Ich fragte mich, was für eine Berufsethik jemand haben konnte, der mit Erpressung arbeitete. Außerdem war mir aufgefallen, dass sie viele Fälle verlor, dennoch aber genug Geld für schicke Klamotten und Kreuzfahrten hatte.«
»Die Kreuzfahrt habe ich bezahlt«, sagte Tess.
Joannas Lächeln war bitter. »Dann habe ich wohl einfach nur Glück gehabt, denn aufgrund dieser Kreuzfahrt habe ich ihre Mandanten überprüft. Von da ab musste ich nur noch die richtigen Punkte verbinden.« Ein Taxi hielt am Straßenrand. »Und jetzt muss ich los. Ich fliege nach Hause, um Keith zu begraben.«
»Und dann?«, wollte Tess wissen.
»Dann komme ich zurück.« Das bittere Lächeln war noch immer da. »Ich bin befördert worden. Habe jetzt einen tollen Job. Aber ich habe vor allem gelernt, dass man aufpassen sollte, was man sich im Leben wünscht.« Sie stieg ins Taxi, ohne noch einmal zurückzusehen.
Tess sah dem Taxi nach, bis es um eine Ecke verschwunden war. »Ich weiß nicht, ob sie mir leidtun soll.«
Er führte sie zurück zum Wagen. »Sie wird mit dem, was sie getan hat, leben müssen. Sie hat den Tiger gereizt, und ihr Freund hat dafür bezahlt.« Er stieg neben ihr ein und drückte ihre Hand. »Aber du hättest nichts dagegen tun können.«
Tess atmete zittrig ein. »Ich weiß. Und vielleicht ist das der Punkt, mit dem ich am wenigsten zurechtkommen kann.«
»Hör mal … ich kenne da einen Cop, der einen Abschluss in Psychologie hat und dessen Couch dir für ein bescheidenes Honorar zur Verfügung steht.«
Sie lachte, und es tat gut. »Bescheiden?«
»Oh, schon gut. Du könntest mit Naturalien bezahlen.«
»An was für Naturalien dachtest du denn?«
Er fädelte in den Verkehr ein. »Wenn du erst fragen musst, bist du nicht halb so schlau, wie ich gedacht habe.«
»Ich sagte ja schon, dass ich keine Gedanken lesen kann, Detective.«
Er grinste. »Stimmt. Na ja, dann werde ich es dir später detailliert erklären. Aber jetzt fahre ich dich zu deinem Vater. Er wartet sicher schon auf dich.«
Philadelphia, Samstag, 28. Oktober, 19.25 Uhr
J edenfalls amüsiert er sich prächtig«, sagte Tess mit belegter Stimme.
Michael Ciccotelli tanzte mit seiner Frau, die ihm ausnahmsweise einmal nicht sagte, er solle es nicht übertreiben. Tess’ Hochzeitstag war ein Ereignis, das danach schrie, es zu übertreiben, und jeder feierte es, als sei es das letzte Mal, dass die Familie komplett zusammenfand. Es war ein bittersüßer Gedanke, aber Tess hatte sich mit dem Gesundheitszustand ihres Vaters abgefunden, auch wenn alle noch auf ein Spenderherz hofften.
Aidan stand hinter ihr und hatte die Arme um ihre Taille gelegt. Seine Füße waren vollständig bedeckt von der elendlangen Schleppe ihres Satinkleids, das einmal ihrer Großmutter gehört hatte. »Das tut er wahrhaftig. Und du?«
Sie schauderte, als er sie zart im Nacken küsste. »Es wird immer besser.«
»Und ich kann dir garantieren, dass es morgen noch besser wird.« Sie hatten sich gegen eine Kreuzfahrt entschieden, weil es Tess zu sehr an Phillip erinnerte, und gegen eine Europareise, weil es zu »Shelley« gewesen wäre. Stattdessen würden sie eine Woche an der Küste von Jersey verbringen. Anschließend wollten sie in Chicago im Lemon eine Party mit allen Freunden feiern, obwohl die meisten von ihnen bereits hier waren. Kristen und Rachel waren die Brautjungfern, Abe Aidans Trauzeuge, und sogar Murphy hatte sich überreden lassen, einen Smoking anzuziehen. Vito sah in seinem Anzug blendend aus wie immer, und wie immer hatte er alle Hände voll damit zu tun,
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