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Nie Wirst Du Entkommen

Nie Wirst Du Entkommen

Titel: Nie Wirst Du Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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den Mund, und wir schaffen das schon. Sprich nicht mit irgendeinem Bullen, wenn deine Anwältin nicht bei dir ist. Und wenn ich mich recht erinnere, bin deine Anwältin immer noch ich. Also? Versprichst du es?«
    Tess schob die kalten Hände in die Manteltaschen und wusste nicht, was sie mehr kratzte: Amys Ultimatum oder ihre offensichtlich geringe Meinung von Tess’ Menschenkenntnis.
Nicht, dass ich Psychiaterin oder so was wäre,
dachte sie sarkastisch. Mit der Polizei zusammenzuarbeiten war kein Fehler. Es konnte durchaus ihre einzige Hoffnung sein, dieser Sache ein Ende zu bereiten, bevor noch jemand starb. »Und wenn ich nein sage, Frau Anwältin?«
    Amy blieb mitten auf dem Bürgersteig stehen und brachte Tess dazu, dasselbe zu tun. Ihre Freundin war vollkommen ernst, ihr Blick scharf, ihre Wangen rot vor Zorn. »Dann wirst du dir einen neuen Anwalt suchen müssen,
Doktor,
denn ich werde dich nicht vertreten.« Und damit setzte sie sich wieder in Bewegung und ließ Tess einfach stehen. Mit offenem Mund starrte Tess ihr hinterher. Als Amy in der Menge verschwand, wurde sie sich bewusst, dass man sie zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde in herablassendem Ton Doktor genannt hatte.
    Das erste Mal war es der Cop vor Avery Winslows Wohnung gewesen, und sein Griff hatte vermutlich einen blauen Fleck hinterlassen. Aber Aidan Reagan hatte eingegriffen. Hatte dem Cop gesagt, er solle sie loslassen, und das ganz und gar nicht freundlich. Reagan hatte sie beschützt. Aber es lag offenbar in seiner Natur. Anscheinend war er so gestrickt.
    Der Gedanke ernüchterte sie, und die Frage, wie sie nach Hause kommen sollte, war nicht erhebender. Amy war weg, und Tess würde sie nicht mehr einholen, selbst wenn sie hinter ihr herrannte, was sie keinesfalls tun würde. Aber sie war ohne Tasche oder Portemonnaie aus ihrer Praxis gestürmt. In ihrer Manteltasche befanden sich ein Dollar fünfzig, ein paar Fussel und ihr Handy
. Wenn ich zu Hause wäre, könnte ich Vito anrufen, und er würde sofort kommen.
    Der Gedanke traf sie so unerwartet, dass sie blinzeln musste. Und die Zähne zusammenbiss. Ihr Zuhause war nun Chicago, nicht Philadelphia. Und ihr Bruder Vito war Hunderte von Meilen entfernt.
Er fehlt mir.
Das konnte sie sich ruhig eingestehen.
Sie fehlen mir alle.
Sie wusste, dass Vito kommen würde, wenn sie ihn anrief. Aber es würde ihm Ärger mit ihrem Vater bescheren, und das wollte sie nicht. Wenn sie tatsächlich verhaftet worden wäre …
Ja, dann hätte ich Vito angerufen.
Aber es war nicht passiert, also waren die Überlegungen müßig.
    Jon würde jetzt in einer OP sein, und Denise wäre fort. Sie blickte hinauf zu der Wohnung, in der Avery Winslow gelebt hatte. Reagan und Murphy mussten noch dort oben sein.
    Genau wie das, was von Avery Winslow übrig geblieben war. Sie schloss die Augen bei der Erinnerung und riss sie wieder auf, als die Bilder überdeutlich vor ihrem inneren Auge aufblitzten. Avery, den halben Kopf weggeschossen. Cynthia, aufgeschlitzt und gepfählt auf der Straße. Und der Klang ihrer eigenen Stimme, die Cynthia zum Selbstmord verführte. Das alles würde sie für den Rest des Lebens verfolgen.
    Sie konnte nicht noch einmal hinaufgehen.
    Und so sehr es sie wurmte, Amys Warnung hatte sich in ihrem Bewusstsein festgesetzt. Reagan war ein guter Mensch, ein guter Cop. Das hatte Murphy ihr gesagt. Und doch hatte Murphy zugelassen, dass man sie zum Verhör geschleppt hatte. Ihre Vernunft sagte ihr, dass er nur seinen Job getan hatte. Aber es tat noch immer weh. Und es zeigte ihr, wie schnell das Vertrauen eines Cops beiseitegeschoben werden konnte.
    Sie würde Reagan und Murphy helfen. Aber vorsichtig. Im Moment brauchte sie zu allererst einen warmen Ort, wo sie sich setzen konnte. Sie blickte sich um und sammelte sich. Sie war nur wenige Blocks vom Lemon entfernt, wo sie, wie sie wusste, auch ohne einen Cent willkommen sein würde.

Montag, 13. März, 16.45 Uhr
    Joanna rempelte versehentlich eine alte Lady an, die mit ihrem hängebauchigen Basset spazieren ging, und murmelte eine Entschuldigung. Tess Ciccotelli hatte wie alle Fußgänger den Kopf gegen Wind und Regen gesenkt. Wie gemacht für eine stressfreie Beschattung. Sie war der Frau den ganzen Nachmittag gefolgt und wusste nun, dass wieder ein Patient tot war. Das würde eine weitere Titelstory geben.
    Mit dem Autorennamen von Cyrus Bremin.
Nur über meine Leiche.
Sie leistete im Stillen Abbitte für die schlechte Wortwahl.
    Mit zu Schlitzen

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