Nie Wirst Du Entkommen
Amt empfindet solche Vorwürfe als ernst zu nehmendes und inakzeptables Problem.
Ach was. Ernsthaft? Ernst zu nehmen
und
inakzeptabel. Das war einer der dämlichsten Kommentare, die das Mikrofon aufgenommen hatte, seit es hinter einem Aktenschrank in Ciccotellis Büro versteckt worden war. Das Amt hatte überhaupt nichts gegen Ciccotelli in der Hand, und jeder im Raum hatte das gewusst. Fenwick, Ciccotelli und ihre Anwältin, die die Drohungen des alten Knackers locker beiseitegewischt hatte.
Aber der Besuch selbst hatte den Grundstein für etwas gelegt, auf dem man aufbauen konnte. Der großkotzige Dr. Fenwick würde den Tod von Avery Winslow noch inakzeptabler finden. Zweiter Akt, sozusagen. Der dritte würde für das Lizenzamt allein aufgeführt werden, nicht für die Polizei. Das war nicht der ultimative Schlag, würde aber die Langeweile vertreiben, solange die Bullen herumtrödelten.
Ja, es würde vermutlich ausgesprochen unterhaltend werden.
Montag, 13. März, 20.30 Uhr
»Und?« Spinnelli saß am Kopf des Tisches und aß mit finsterer Miene. Am Tisch befanden sich außerdem Aidan, Murphy, Jack, Rick und Patrick, der sie düster darüber informiert hatte, dass die Zahl der Berufungsabsichten nun auf acht gestiegen war.
»Noch eine Minute, Marc«, protestierte Jack. »Ich habe seit dem Mittag nichts mehr gegessen.«
»Wir haben noch nicht mal mittags gegessen«, brummelte Aidan. Sie hatten sich mit den Blumengeschäften auseinandergesetzt. »Aber wir können Ihnen beim Essen ein Video zeigen.« Er stand auf und nahm die Disc, die sie aus der Kamera von der Postfachagentur geholt hatten, und griff hastig nach seinem Karton mit Bami-Nudeln, als Murphy einen begehrlichen Blick daraufwarf. »Wir mussten nicht lange suchen.« Er schob die Disc ein, drückte auf Play und trat zurück, dass die anderen den Bildschirm sehen konnten. »Das war vergangenen Donnerstagnachmittag.« Eine Frau in einem braunen Mantel trat ins Bild. Ihr schwarzes Haar fiel in Wellen um ihre Schultern. Sie war ungefähr von gleicher Größe wie Tess Ciccotelli, aber der weite Mantel verbarg ihre Statur.
Die Frau schien eine Latina zu sein. Ihr Gesicht war zwar etwas schmaler als Ciccotellis, aber ähnlich genug, um in der Erinnerung eines genervten Angestellten als italienisch durchzugehen.
»Tess hat einen Mantel von derselben Farbe«, sagte Murphy. Dann fügte er hinzu: »Hier kommt etwas, was mich wirklich rasend gemacht hat. Seht euch an, wie sie ihren Mantel aufknöpft, so dass man den Schal um den Hals sehen kann. Sie wollte, dass der Angestellte diesen Schal sieht, weil Tess niemals ohne aus dem Haus geht.«
Es sei denn, sie trägt einen schwarzen Rollkragenpulli, der wie eine zweite Haut sitzt,
dachte Aidan und schob dieses Bild rasch so weit wie möglich aus seinem Bewusstsein.
Spinnelli presste die Kiefer zusammen. »Weil sie die Narbe von dem Angriff letztes Jahr verbergen will.«
Nun erschien vor Aidans innerem Auge das Bild seiner eigenen Hände, die sich um den Hals des Mistkerls legte, der sie beinahe getötet hatte.
»Verdammt«, murmelte Patrick. »Sie sieht aus wie sie.«
»Nie und nimmer sieht die wie Tess aus«, fuhr Murphy ihn an. »Sind Sie blind?«
Patrick schüttelte den Kopf. »Nein, ich nicht, aber ein Richter könnte ausreichend Ähnlichkeit sehen, um die Berufungen durchgehen zu lassen. Insbesondere, da wir noch mehr Indizien haben, die gegen sie sprechen. Ohne Motiv reicht es nicht, sie vor Gericht zu stellen«, fügte er hinzu, »wohl aber, um das Wasser zu trüben. Verdammter Mist. Das ist gar nicht gut.«
Aidan beobachtete, wie die Frau zu ihrem Postfach ging, sich vorbeugte und den Schlüssel ins Schloss steckte. »Niemand mit ein bisschen Verstand im Kopf würde glauben, dass es sich um Tess Ciccotelli handelt. Die Frau bewegt sich völlig anders.«
»Ich sehe nicht recht, wie ich das als Argument einem Richter unterbreiten soll, Aidan«, sagte Patrick mit trockenem Humor. »Obwohl ich gerne zugebe, dass sich nur wenig Frauen wie Tess bewegen.«
Aidan sah über seine Schulter zu Patrick, dessen nüchterner Gesichtsaudruck wohl nie einem Lächeln näher gewesen war. Murphy hatte ein plötzliches Interesse an den Resten seines zweimal gebratenen Schweinefleischs entwickelt, Jack grinste unverhohlen, und Rick sah aus, als hätte er es gerne getan. Aidan spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg und verdrehte die Augen. »Ich meinte nur, dass sie … ach, verdammt.«
Spinnellis
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