Nie wirst du vergessen
Fälle
erlebt zu haben, bei denen Angestellte wissentlich falsch beurteilt
wurden."
Lauren umklammerte ihre Tasse und beobachtete den
Dampf, der von der dunklen Flüssigkeit aufstieg. „Ich halte es für
unwahrscheinlich, dass George West zu derart üblen Taktiken greifen würde.
Außerdem ist das Risiko zu groß, dass das auffällt. Ich bin bis jetzt stets
sehr gut beurteilt worden. Aber vor allem entspricht so etwas Schäbiges nicht
seinem Charakter. George West ist kein hinterhältiger Mann, und ich glaube,
dass er mich mag. Wenn er das Gefühl hat, in die Ecke gedrängt zu sein, würde
er sich bestimmt etwas anderes einfallen lassen. Er würde mich einfach in eine
andere Abteilung versetzen und es wie eine Beförderung aussehen lassen, damit
es kein Gerede gibt. Und er würde sich hundertprozentig vergewissern, dass ich
nicht an die Mason-Akten herankomme."
„Aber Sie hatten bereits Zugang zu diesen Akten,
kennen die ganze Korrespondenz und sind mit dieser Angelegenheit bestens
vertraut. Sie könnten mir bereits alles verraten haben, wenn Sie es gewollt
hätten."
Irgendetwas in Zacharys Stimme machte Lauren nervös.
Sie blickte ihm direkt in die Augen und fragte: „Haben Sie sich das von mir
erhofft, als Sie meinen Fall übernahmen?"
Ein Muskel zuckte unter seinem Backenknochen.
„Selbstverständlich nicht, Lauren. Ich habe Ihnen schon gestern Abend erklärt,
warum ich mich dazu entschloss."
„Und ich habe Ihnen geglaubt", erwiderte sie mit
angespanntem Gesicht. „Aber Sie müssen doch zugeben, dass es für alle
Personen, die mit der Mason-Sache zu tun haben, ganz anders aussieht."
„Ich weiß."
„Und jetzt, wo ich mich an die Öffentlichkeit gewandt
habe, wird sich die Presse auch auf diese Sache stürzen", fuhr Lauren
leise fort.
„Also, was wollen Sie machen?"
„Vor allem will ich meine Kinder finden, und Sie
sollen mir dabei helfen."
„Was ist mit dem Mason-Fonds?"
Lauren hob nervös die Hände. „Keine Ahnung. Mir bleibt
wohl nichts anderes übrig, als abzuwarten, wie alles weitergeht."
Zachary schwieg lange, und Lauren fragte sich, was ihm
durch den Kopf ging. Endlich sagte er ernst: „Ich möchte keinesfalls, dass Sie
Ihren Job aufs Spiel setzen."
„Es gibt genügend andere Banken in Portland."
„Aber Sie fühlen sich doch bei der Northwestern
wohl."
Wie gut er sie verstand. Und das, obwohl er sie erst
seit so kurzer Zeit kannte. Zachary Winters war mehr als nur ein gerissener
Anwalt. Er spürte verborgene Gefühle, und das machte Lauren ein wenig Angst, gefiel
ihr aber auch sehr. „Ja, ich fühle mich dort sehr wohl. Oder richtiger: Bis
jetzt habe ich mich dort sehr wohlgefühlt."
„Falls es Ihnen etwas bedeutet, Lauren: Ich habe mir
große Mühe gegeben, Joshua die Übernahme des Mason-Falls auszureden."
„Und?"
„Er hat sich strikt geweigert und mich beschuldigt,
meine Stellung als Seniorpartner auszunutzen und Druck auf ihn auszuüben."
Lauren stellte die Tasse ab und dachte an den Tag, an
dem sie zum ersten Mal in Zacharys Büro gekommen war. Dass er die Kanzlei vernachlässigt
hatte, blieb keinem Besucher verborgen. Anscheinend hatte sich Joshua Täte
entschlossen, den Stier bei den Hörnern zu packen. „Können Sie es Täte
verübeln, Zachary?"
„Nein.
Er wartet schon lange auf einen großen Fall. Auf die Chance, endlich sich und
sein Können zu beweisen. Und die scheint sich ihm durch die Mason-Sache jetzt
zu bieten."
„Er wird verlieren", sagte Lauren.
„Schon möglich. Er ist jedoch bereit, dieses Risiko
einzugehen." Zachary beugte sich vor. „Genau wie Sie, Lauren."
„Vielleicht denkt er genau wie ich: dass er nichts zu
verlieren, aber alles zu gewinnen hat."
„Kann sein."
„Dann bleibt weder ihm noch mir etwas anderes übrig,
als weiterzumachen. Ich will, dass Sie meine Kinder finden, und ich verlasse
mich darauf, dass Sie nicht versuchen, Informationen über den Mason- Fonds aus
mir herauszuholen. Es wäre ein sinnloser Versuch."
Lauren stand auf, um zu gehen. Doch Zachary packte ihr
Handgelenk und hielt sie zurück. Mit eindringlicher Stimme sagte er: „Lauren,
eins sollten Sie sich klarmachen. Was auch immer geschehen mag, ich würde Sie
niemals benutzen."
Sie hörte die Ehrlichkeit in seiner Stimme und sah sie
in seinen Augen.
„Sie müssen wissen, dass Sie mir vertrauen können",
sprach Zachary weiter. „Ganz gleich, was Sie sonst glauben. Wenn Sie mir nicht
vertrauen, hat es keinen Sinn, die Suche nach Ihren Kindern fortzusetzen.
Weitere Kostenlose Bücher