Nie wirst du vergessen
ihr auf, weil alles so unfair war. Sie musste sich sehr
anstrengen, um ihre Fassung zu bewahren.
„Ich hoffe, dass Sie die Kinder finden", rief
West ihr noch leise hinterher.
„Danke, das hoffe ich auch."
Im Fahrstuhl dachte sie über das Gespräch mit dem
Bankpräsidenten nach. Sie war ehrlich zu ihm gewesen und hatte ihm nichts
verschwiegen. Nun musste George West entscheiden, wie es mit ihr weitergehen
sollte. Mit einem tiefen Seufzer holte sie ihre Sachen aus dem Büro und eilte
aus dem Bankgebäude.
Zum Glück war Freitag. Sie hatte also zwei volle Tage,
bevor sie in die Bank zurückmusste. Vielleicht würde sie an diesem Wochenende
etwas über den Verbleib ihrer Kinder erfahren.
Aber vielleicht war sie am Montag auch ihren Job los.
Niedergeschlagen fuhr sie heim. Doch dann umklammerte sie fest das Lenkrad.
Sie wollte gegen alle ankämpfen, die ihr im Weg standen. Gegen Douglas Regis,
Joshua Täte, George West und sogar Zachary Winters, falls er sie aushorchen
wollte. Es gab nur ein einziges Ziel für sie, und das würde sie erreichen. Alles
andere war unwichtig. Nur die Kinder zählten. Für sie würde sie sogar ihren Job
opfern.
Zacharys Caravan stand direkt vor Laurens Haus. Ihr
wurde heiß und kalt. Hatte er vielleicht schon etwas herausgefunden? Oder kam
er her, um ihr mitzuteilen, dass er ihren Fall doch nicht bearbeiten wolle,
weil sein Partner die Masons vertrat? Einen Moment fragte sie sich, ob er nur
bestimmte Informationen brauchte. Doch sie verwarf diesen Gedanken sofort. Wenn
das seine Absicht wäre, hätte er es schon längst versucht.
Als Lauren ihren Wagen parkte, wurde ihr plötzlich
wieder bewusst, dass sie in Zachary Winters nicht nur den Anwalt sah, sondern
dass sie ihm tiefere Gefühle entgegenbrachte. Sie freute sich nämlich sehr darüber,
dass er zu ihr gekommen war.
Was waren das nur für seltsame Gedanken? Lauren
schüttelte den Kopf und stieg aus dem Wagen. Sie lief zuerst zum Briefkasten
und dann die Stufen zu der Eingangstür empor, wobei sie einen flüchtigen Blick
auf die Rechnungen und Reklamesendungen warf.
Zachary stand auf der Terrasse, die sich die gesamte
Vorderseite des gelb verputzten Hauses entlangzog. Breite Säulen stützten das
vorspringende Dach, und eine halbhohe Mauer fasste die Terrasse ein. Die kobaltblauen
Fensterläden und die ebenso gestrichene Haustür hoben sich lebhaft vom hellen
Anstrich des Hauses ab. Es war ein sehr gepflegtes und einladendes Haus. Das
jedenfalls fand Zachary. Oder kam es ihm nur so vor, weil Lauren hier wohnte?
Als sie sich Zachary näherte, lächelte sie. Er trug einen
weiten, kamelfarbenen Strickpullover, hellbraune Cordhosen und weiche
Ledermokassins. Ein leichter Wind hatte sein Haar zerzaust. Dass Zachary
Winters sich so leger kleidete, gefiel Lauren. In seiner Nähe fühlte sie sich
wohl und entspannt. Womöglich bezweckte er genau das mit seiner Aufmachung.
Man behauptete ja, dass er ein besonders gerissener Anwalt sei ... Lauren
fragte sich, ob er wohl auch rücksichtslos, vielleicht sogar skrupellos sein
konnte, falls er es für angebracht hielt?
Bei Laurens Anblick erschien ein breites Lächeln auf
Zacharys Gesicht. Regelmäßige weiße Zähne blitzten auf, und in die Wange malte
sich ein verführerisches Grübchen. In Lauren breitete sich eine seltsame
Geborgenheit aus. Sie spürte, dass er ein Mann war, mit dem sie sich sehr
wohlfühlen würde. Wenn er nicht ihr Anwalt wäre, könnte sie sich direkt ernsthaft
in ihn verlieben.
Hör mit diesen Gedanken auf, befahl sie sich ärgerlich.
Du scheinst verrückt geworden zu sein, Lauren Regis!
Bevor sie etwas sagen konnte, nahm Zachary ihr die
Aktenmappe ab, die sie zusammen mit der Post und ihrer Handtasche unter den Arm
geklemmt hatte. „Ich hielt es für richtig, zu Ihnen zu kommen und Ihnen einige
Dinge zu erklären", sagte Zachary.
Sie dachte an die unangenehme Unterredung mit George
West. „Einige Dinge? Zum Beispiel die Sache mit Joshua Täte und dem
Mason-Fonds?" Sie kramte den Schlüssel aus der Handtasche und schloss die
Haustür auf.
Zachary war ihrem Blick ausgewichen. „Richtig, damit
wollte ich beginnen."
„Gut. Ich habe nämlich den ganzen Tag lang wenig
Erfreuliches darüber gehört und kann nur hoffen, dass Sie eine vernünftige
Erklärung für mich haben. Jeder in der Bank hält mich für verrückt, dass ich
ausgerechnet Sie mit meiner Sache beauftragt habe."
Lauren stieß die Tür auf und versuchte sich einzureden,
dass Zachary Winters nichts
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