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Niedergang

Niedergang

Titel: Niedergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Graf
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sie konnten genießen. André war stolz, diese weise Entscheidung getroffen zu haben.
    » Danke « , sagte Louise auf einmal und nahm seine Hand. » Es ist wunderschön hier! Ohne dich wäre ich nicht hierhergekommen und wenn, hätte ich wegen des Regens gleich aufgegeben. «

10 – Harmonie
    Sie frühstückten gemütlich, wie sie es an einem freien Tag zu Hause taten, tranken Kaffee und aßen Brot, auf das André eine dicke, Louise eine dünne Schicht Butter strich. Der Bergblumenhonig stammte aus der Region. Marmelade gab es keine, dafür Kuh- und Ziegenkäse von Tieren, die, wie der Deutsche erzählt hatte, weiter unten am Berg weideten. Die Milch stand in einem Krug auf dem Tisch, wie wenn sie frisch vom Stall käme, doch sie war pasteurisiert; Milch direkt von der Kuh hätten die meisten Gäste nicht getrunken. André hatte einmal bei den Pfadfindern, als sie einem Bauern beim Melken zusahen, probiert, und zwei Schlucke hatten ihm gereicht.
    » Sollten wir uns nicht beeilen? « , fragte Louise.
    André winkte ab und erklärte, dass es besser sei, eine andere Route zu wählen; er bezweifle, dass die geplante Wanderung zu schaffen sei.
    Louise hielt inne.
    » Es hat Schnee gegeben « , sagte er. » Ich denke, wir sollten den Panoramaweg nehmen, da haben wir nur eine leichte Steigung und eine tolle Aussicht, und später geht es nur noch bergab. Wir können auch einen oder zwei Tage an einem Ort bleiben und faulenzen, den Urlaub genießen. «
    » Wie? « , fragte Louise.
    Er erklärte noch einmal, dass eine Alternativroute vernünftiger sei, da er nicht wisse, wie viel Schnee weiter oben liege und ob sie sich kräftemäßig übernähmen. Es sei klüger, die geplante Wanderung in einem Hochsommer oder Spätsommer zu machen.
    » Nein « , sagte sie.
    Irritiert schaute sie ihn an, dann auf den Tisch. » Jetzt ist endlich das Wetter gut, und du willst nicht mehr hoch? «
    Sie klang enttäuscht und frustriert, sagte, sie wolle sich gestern nicht umsonst durch Nebel und Regen hochgekämpft haben, und machte den Vorschlag, wie geplant weiterzugehen. Wenn es tatsächlich Probleme gäbe, könne man immer noch umkehren.
    » Hm « , machte André.
    » Du hast mich gestern den Berg hochgetrieben « , sagte Louise, nun auf einmal kokett, » und jetzt machst du schlapp? «
    Er lächelte. So gefiel ihm seine Freundin, herausfordernd und gut gelaunt, unternehmungsfreudig und humorvoll provozierend, und wenn sie beide so harmonierten, wie es an diesem Morgen der Fall war, dann waren sie als Team unschlagbar.
    » Hm… « , machte er noch einmal.
    » Ja! « , sagte sie.
    Er blickte aus dem geöffneten Fenster, strahlender Himmel, wuchtige Sonne, beinahe konnte man dem Schmelzen des Schnees zusehen. Vielleicht war seine Entscheidung von zu viel Pessimismus geleitet gewesen?
    » Na dann « , sagte er und fügte hinzu, sie müssten viel essen und sich bald auf die Socken machen. Obwohl er satt war, nahm er eine weitere dicke Scheibe Brot und schmierte so viel Butter darauf, als wolle er sich für einen Winterschlaf rüsten.
    Eine halbe Stunde später waren sie abmarschbereit. Auch die geplante Wanderung folgte ein Stück weit dem Panoramaweg, aber von der Hütte aus in die andere Richtung. Louise, die ein leichtes T-Shirt trug und für einmal nicht zu warm angezogen war, schritt in einem Tempo voran, dass er Mühe hatte mitzuhalten. Sie liefen nebeneinander her, Hand in Hand, sie rannten beinahe, als wollten sie den Gipfel stürmen. Links und rechts ein wildes Meer aus Berggipfeln, -kämmen, -buckeln und -zacken mit grünen, grauen und weißen Flecken vor himmelblauem Hintergrund. Und sie alle sahen nicht aus wie Berge, eher wie Berglein, kleine, niedliche Zwerge. Nur direkt vor ihnen erhob sich ein großer– der ihrige, ein Felsmassiv, dessen Ausmaße sie in der Vorstellung nur schwer erfassen konnten: dieser verwinkelte Kasten mit weißen und grauen Flächen füllte beinahe den ganzen Blickwinkel, war nur dünn umrahmt von kleinen Bergen im Hintergrund und dem Himmel. Der Gipfel lag versteckt, irgendwo hinten, weit in der Höhe.
    » Wir müssen nach oben « , sagte Louise, » ich will hinauf! «
    Der Schnee schmolz dahin. Längst war die Alpwiese, auf der sie wanderten, weiß-grün gescheckt; überall gab es größer und größer werdende Löcher im Schnee, die das Grün und die eine oder andere Blume freigaben, gelbe und weiße Blümchen, die auf dem kargen Boden gediehen und gerade wegen ihrer bescheidenen Einfachheit besondere,

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