Niedergang
dem Felsen hin und her rutschte, um die bequemste Stelle zu finden, lehnte André sich zu ihr hinüber und begann, sie zu küssen.
Er sagte, von oben könne man sie sehen, und zeigte auf den Wanderweg, der über ihnen im Zickzack hinaufging.
Louise schaute kurz hoch. » Das macht nichts « , sagte sie.
Sie liebten sich schnell und gierig, weder liegend, da zu unbequem, noch stehend– auf allen vieren auf geradezu animalische Art. André mochte ihren mageren Körper sehr; nichts Überflüssiges gab es an ihm, er war wunderbar funktional.
Ob man hier FKK machen könne, fragte Louise, als sie fertig waren. Er sagte, dass dies unüblich sei, aber niemand die Behörden verständigen werde.
» Lou, du solltest die Wanderschuhe wieder anziehen « , mahnte er, » sonst schwellen die Füße auf. «
11 – Im Steinhang
Endlich begann die Wanderung, begann, was André unter einer richtigen Wanderung verstand.
Sie schritten auf großen Steinen, Schutt, Steinchen in der Größe von Sandkörnern, auf blankem Fels, und sie stiegen mehr, als dass sie schritten; selbst die steilsten Stücke des Vortages waren nicht so steil gewesen wie dieser Anstieg. Sie standen in Tritten und nahmen Stufen, sie rutschten und stützten sich ab auf den Oberschenkeln. Mit den Oberkörpern nach vorn geneigt, blickten sie auf den grauen Weg, der in der Sonne glänzte wie Metall. Geschmeidig abgeschliffen waren manche Steine, als lägen sie in einem Bachbett, vom strömenden Wasser gerundet – geschliffen wurden sie hier vom Regen und den festen Schuhen der Wanderer.
Links und rechts bildeten beckengroße Steine, sesselgroße Felsen und welche, die nicht kleiner als Zelte oder Gartenhäuschen waren, ein wildes Feld, das zu durchschreiten nicht einfach gewesen wäre, zumal es so steil lag, dass man hätte klettern müssen.
Hier war der Schnee geschmolzen. Nur in den Löchern, die es im Steinfeld gab, zumeist unter großen Felsen, lag noch wässriges, verschmutztes Weiß, fast unsichtbar, wenn man nicht genau hinschaute.
André wusste: diese Kargheit hoch im Gebirge konnte Fremde entmutigen. Auf der einen Seite ging es steil und weit hinunter, Hunderte Meter bis zum grünen, fruchtbaren Tal, und man konnte Angst bekommen, aus dieser mörderischen Höhe hinunterzustürzen; auf der anderen Seite ging es steil und hoch hinauf, immer noch steiler, immer noch höher, grauer und felsiger bis zum lohnenden Gipfel. Und hier, in der Mitte, eine Steinöde. Nicht geeignet für eine Rast, weil man nicht mehr weiterwollte, -konnte, geschweige denn für einen längeren Aufenthalt. Man musste weiter, entweder hinauf oder hinunter.
André gefiel diese Herausforderung. Für ihn gab es nur eines: hinauf! Gerne wäre er schneller gegangen, doch er zwang sich, langsam zu gehen, damit Louise die Freude nicht verlor.
Sie ging einige Meter unter ihm, die Daumen in den Schlaufen der Schultergurte, den Blick konzentriert vor sich auf den Boden gerichtet. Die Anstrengung schien sie zu erschöpfen, aber nicht zu überfordern. Louises Körper pochte, glühte wie nach langem, ausdauerndem Sex. In der Körperhaltung, die sie beim Aufstieg einnahm, sah sie anders aus als bei den Wanderungen auf der Mecklenburgischen Seenplatte, und dennoch traute André ihr im Moment zu, dass sie nicht müde wurde, sondern wie zu Hause noch lange wandern konnte.
Der Weg lief nur manchmal im Zickzack, oft führte er steil und schräg hinauf, da in den Felsen kein Raum war für eine Wendung. Schaute André zurück, sah er eine zerklüftete Berglandschaft, den Zähnen wilder Tiere oder denjenigen einer Säge ähnelnde Gipfel, einzelne schroffe Felsen, die wie von einem Riesen hingelegt aussahen, dunkle, im Schatten liegende Spalten, Löcher und kleine Täler, hellgraue Schluchten, in denen immer wieder Erde und Schutt rutschte, offene Narben am Berg, aber auch karg mit niedrigem Grün bewachsene Felsen, beschwichtigend oder tröstend.
Am Rand des Pfades wuchs wenig Gras, da und dort einzelne, kleine Flächen. Noch gab es Leben.
Die Sonne hatte inzwischen eine fordernde Wärme erreicht, eine gewisse Hitze; André schwitzte, spürte jedoch nicht im Ansatz Kopfschmerzen. Er stieg weiter, wollte, obwohl er durstig war, noch die siebzig oder hundert Höhenmeter hinauf, etwa zwanzig Minuten, wo der Weg verschwand, in einen kleinen Platz überging, ein Plateau, von dem aus die Aussicht überwältigend war.
Bei einem Blick nach unten sah er, dass Louise stehen geblieben war– aber kaum hatte
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