Niedergang
Armen. Dann drehten sie sich beide zur Seite, voneinander weg.
Nach einem tiefen Schlaf, noch vor Mitternacht, erwachte André; er schwitzte und konnte wegen der stickigen Luft nur schlecht atmen. Er war wegen Louise aufgewacht, die sich zu ihm hingedreht hatte und, wie er vermutete, schon länger wach lag.
Ob er auch nicht schlafen könne, flüsterte sie.
In der unteren Bettreihe schnarchte jemand, ein typisches männliches Schnarchen. Offenbar hatten sich auch die anderen Gäste schlafen gelegt; vermutlich handelte es sich um jene, die sie in der Gaststube gesehen hatten.
» Doch, ich kann schlafen « , antwortete André, als Zeichen, dass er in Ruhe gelassen werden wollte. Er blieb von Louise abgewandt liegen, wollte gleich wieder einzuschlafen versuchen, nicht ein Gespräch beginnen. Aber solche Botschaften, unausgesprochen und doch deutlich, überging Louise meistens.
Er spürte, dass das Einschlafen nicht sogleich gelänge, und untersagte sich jede Bewegung, harrte reglos aus, auf dass er wieder hinüberglitt in den Schlaf, doch Louises unruhige Bewegungen lenkten ihn ab; er fragte sich, was sie da machte, weshalb sie nicht Ruhe gab, ihn nicht schlafen ließ. Er regte sich auf, im Stillen, ohne etwas zu sagen oder sich zu bewegen, aber in Gedanken hielt er einen Monolog, schimpfte mit Louise, forderte sie verärgert auf, endlich Ruhe zu geben.
Ein zweites Mal erwachte er um drei Uhr. Die Luft war noch stickiger geworden, und es roch wie unter einer riesigen, mehrere Personen wärmenden Bettdecke. Louise saß aufrecht neben ihm. Sie müsse auf die Toilette, sagte sie, als sie sah, dass auch er wach geworden war, blieb jedoch sitzen.
Er drehte sich von ihr weg, zog die Decke über das Ohr.
» André « , flüsterte sie.
» Was? «
» Ich muss auf Toilette. «
» Dann geh! « , giftete er leise, aber scharf zu ihr hinüber.
» Die Leiter « , sagte sie, zeigte zum anderen Ende der Matratzenreihe und wollte wissen, wie sie da hinkomme, ohne alle aufzuwecken.
» Klettre einfach ohne Leiter runter « , sagte André mit geschlossenen Augen, als sei die Sache damit ein für alle Mal erledigt.
» Ein anderer Mann würde mir die Leiter bringen « , warf sie ihm vor, » aber du denkst wie immer nur an dich. Du weißt nicht, wie man mit einer Frau umgeht. «
Wütend erhob er sich, sprang, sich am Bettrahmen festhaltend, zu Boden, holte geräuschlos die Leiter und stellte sie vor Louises Matratze hin.
» So viel zum Thema Emanzipation « , flüsterte er, damit es die anderen nicht hörten.
Während Louise barfuß die Leiter herunterkletterte, wuchtete er sich wieder hoch in die obere Bettreihe. Schon trieb ihm die Wärme den Schweiß auf die Stirn, und die Luft war so schlecht, dass er lieber draußen im Zelt übernachtet hätte.
Es gelang ihm nicht, gleich wieder einzuschlafen. Nach einiger Zeit hörte er, wie Louise zurückkam, die Wanderschuhe, in die sie barfuß geschlüpft war, auszog und langsam die Leiter hochstieg.
9 – Entschluss zum Abstieg
Allmählich wurde das Wachsein von der Zeit gerechtfertigt; es war halb sieben Uhr morgens. André dachte daran, diese Nacht abzuhaken und aufzustehen, drehte sich aber noch einmal um und überlegte, welche Alternativroute infrage käme und wann er Louise eröffnen sollte, dass aus der geplanten Wanderung nichts würde, dass nun Zeit vorhanden sei, an einem Ort zu bleiben und dort einen oder mehrere Tage zu verbringen. Über den Gedanken schlief er ein, und diese knappe Stunde empfand er, wieder wach geworden, als ebenso erholsam wie die gesamte Nacht davor.
Er stand auf, ging in das Bad, anschließend die Treppe hinunter und öffnete die Haustür. Grelles Licht blendete ihn– und tatsächlich: durch die gespreizten Finger, die er schützend vor die Augen hielt, sah er, dass der Himmel tiefblau war und Schnee lag. Er trat in das Weiß hinaus: eine lockere, knöcheltiefe Schicht, mehr nicht. Er hatte fünfzig Zentimeter oder mehr erwartet. Die Sonne besaß schon jetzt eine Wärme, dass es eine Freude war. Vermutlich würde sie die dünne Schicht Schnee in wenigen Stunden weggeschmolzen haben.
Vielleicht war bei diesem Wetter die geplante Wanderung doch möglich? Das Kletterseil, das noch nicht vollständig getrocknet war, konnte er vor dem Frühstück für ein Stündchen draußen an die Sonne legen, die über Stuhllehnen gehängten Hosen waren bereits über Nacht getrocknet; bei Aufbruch wäre ihre Ausrüstung voll einsatzfähig und hätte wieder
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