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Niedergang

Niedergang

Titel: Niedergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Graf
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kleine Schönheiten waren.
    Kein Wind wehte und wenn, war er sanft und eine willkommene Erfrischung. Selbst auf dem erdigen, weichen Weg wuchs kurzes Gras, das nach und nach zum Vorschein kam; blickten sie beim Gehen zur Seite, schaukelten die Berge im Himmelmeer lustig wie dahintreibende Eisschollen. Sie sahen aus, als lägen sie tiefer, als wären sie allesamt niedriger als der Panoramaweg. André wusste, dass dies eine Täuschung war.
    Unten im Tal flogen Vögel, dann welche auf ihrer Höhe, als wollten sie dabei sein bei der Wanderung. Schon flogen sie voraus und hinauf; der Gipfel war nur Flügelschläge entfernt.
    Weder Louise noch André machte die leichte Steigung zu schaffen; sie hätten die Strecke auch joggen können, so leicht fühlte sie sich an– nach dem langen und steilen Weg vom Vortag!
    Einmal hielt André an, zeigte auf ein Steinfeld unter ihnen, das kaum noch von Schnee bedeckt war, und machte Louise auf ein– nach der harten Winterzeit– erstaunlich gut genährtes Murmeltier aufmerksam, das da stand, pfiff und verschwand.
    Nach lockeren zwei Stunden erreichten sie das Ende des Panoramaweges, wo sie, da ein steiler Aufstieg begann, eine Pause machten. Einige Meter neben dem Weg, am Fuße der Erhebung, fanden sie eine sonnige und durch Felsen geschützte Stelle, einen angenehmen kleinen Platz für eine Rast. Obwohl sie zu spät aufgebrochen waren, lagen sie gut in der Zeit; sie konnten die Pause ohne schlechtes Gewissen ausdehnen.
    Zuerst tranken sie reichlich Wasser, waren sie doch ins Schwitzen gekommen; Louise gönnte sich einen Kaffee, dann aßen sie je einen von den Getreideriegeln, die sie mitgenommen hatten. Sie bekamen noch mehr Appetit und aßen die Brötchen, aßen gleich zu Mittag. Der Deutsche hatte sie zubereitet, wie auch den Kaffee; bereits am Vorabend hatten sie das Lunchpaket bei ihm bestellt. Mit dem Schinken und den Essiggurken waren die Brote nahrhaft und angenehm saftig.
    Sie taten gut daran, richtig zu essen; es war kurz vor zwölf, und der Nachmittag würde streng werden. Zum Glück war es nicht allzu heiß geworden, sondern gerade so warm, dass sie an ihrer windgeschützten Stelle in der Sonne sitzen konnten, ohne sich etwas überziehen zu müssen. Auch Louise fror nicht, obwohl sie noch immer ihr T-Shirt trug. Und die Steine, auf denen sie wie auf niedrigen Stühlen saßen, hatten die Wärme der Sonne gespeichert und fühlten sich wohlig an.
    Steine gab es hier mehr als noch hundert oder zweihundert Meter zuvor; die Alpwiese löste sich auf und wurde zur Steinwüste. André und Louise rasteten auf der Grenze, da, wo die Erde, in der mageres Gras wuchs, steinig wurde und wo auf den Felsen aber noch ausreichend Erde lag, damit anspruchslose Pflanzen gediehen. Nur wenige Meter oberhalb begann ein Schuttfeld, wo man Steine von idealer Größe für eine Feuerstelle hätte finden können.
    André beobachtete, wie auf dem Boden eine Ameise raste, wohin– wer wusste es. Durch die Luft flogen fette Fliegen, und Louise erwähnte das Murmeltier, von dem sie besonders angetan war. Sie hatte zum ersten Mal eines gesehen und mochte sein Aussehen, das ihrer Meinung nach den Bibern ähnelte, die es in Mecklenburg-Vorpommern gab.
    Die Geräusche der kleinen Tiere und der Duft der Steine und Gräser fühlten sich schon richtig sommerlich an; hier ließ es sich leben, wenn auch nur für eine ausgedehnte Rast.
    Louise kaute das letzte Stück von dem Brötchen, dann lehnte sie sich zurück an den Fels. Er war mit Flechten bewachsen, und Louise schien ihr Haar absichtlich daraufzulegen, so wohl fühlte sie sich. Aber der Fels war mit oder ohne Flechten reinlich, viel reinlicher als irgendein Stein, eine Baumrinde oder ein Stück sumpfigen Bodens auf der Mecklenburgischen Seenplatte gewesen wären– wobei dort feuchte Gebiete auf einmal in trockene, sandige, mit Kiefern bewachsene übergingen, die auch reinliche Stellen hatten.
    » Hier kann man sich wunderbar sonnen « , sagte Louise, » die Felsen sind wie Liegestühle. «
    » Du musst dich ausziehen « , sagte André foppend, und zu seinem Erstaunen begann Louise tatsächlich, ihre Kleider abzulegen. Erst als ihr Oberkörper nackt war und sie die Hose ausziehen wollte, fiel ihr ein, dass sie sich die Wanderschuhe aufschnüren musste. Er stellte sich Louise vollständig unbekleidet vor, lediglich mit den schweren Wanderschuhen an den Füßen, die dadurch größer wirkten, wie bei einer Comicfigur.
    Als Louise mit ihrem nackten Hintern auf

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