Niedersachsen Mafia
Tür hörte.
»Hallo. Darf ich Sie stören?«
Sie nickte in Richtung der Besucherstühle vor ihrem Schreibtisch.
Der Hauptkommissar nahm ächzend Platz und legte einen
Computerausdruck auf den Tisch, während er weitere Blätter in der Hand behielt.
»Dieser Vorgang ist uns von der Polizeidirektion Lüneburg mit der
Bitte um Kenntnisnahme zugesandt worden. Ich habe bereits mit den Kollegen
gesprochen.« Dabei wedelte er mit den Papieren.
»Es geht um einen Todesfall. Kurt Buggenthin, dreiundfünfzig.
Geschieden. Er war bei einer«, Madsack warf einen Blick auf seine Notizen,
»Elke Findeisen zum Frühstück eingeladen. Während des Essens ist er plötzlich
zusammengesackt. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch den Tod
feststellen.«
»Das klingt nicht sehr spektakulär«, warf Frauke ein.
»Der Arzt hat eindeutige Anzeichen für Herzversagen festgestellt.«
»Das ist ein finaler Zustand, aber keine Todesursache«, sagte Frauke
und zehrte von ihrer langjährigen Erfahrung als Leiterin des K 1 in Flensburg, das im Volksmund als
»Mordkommission« bezeichnet wird. »Was hat zum Herzstillstand geführt? Das ist
die entscheidende Frage.«
»Buggenthin litt offensichtlich unter einer Herzerkrankung, einer
Stenose. Darauf deutet das Nitrolingual-Spray hin, das man bei ihm gefunden
hat. Nach Aussage von Frau Findeisen ging es ihm vor seinem plötzlichen Herztod
nicht gut. Er hat behauptet, er sei erkältet. Damit hat er sein Unwohlsein und
die abwechselnden Hitzewallungen und Kälteschauder begründet.«
»Kommen Sie zum Punkt, Madsack«, sagte Frauke ungeduldig. »Das
klingt nicht wie etwas, mit dem wir uns beschäftigen müssen.«
Der Hauptkommissar wackelte ein wenig unruhig auf dem Stuhl hin und
her. »Buggenthin war wohl in Erwartung eines amourösen Abenteuers zu Elke
Findeisen gekommen, obwohl die Frau gegenüber der Streife mehrfach ausdrücklich
betonte, dass sie ihn nur zu einem kleinen Frühstück eingeladen hatte. Sie ist
alleinstehend und hatte sich auf eine nette Plauderei gefreut.«
»Ist er handgreiflich geworden? Hat sie ihn daraufhin
niedergeschlagen?«
»Nichts dergleichen. Buggenthin wies keine äußeren Verletzungen
auf.«
»Was denn?«
»Auch kein Gift. Das ist zumindest der aktuelle Stand. Näheres wird
die Obduktion ergeben.«
»Nun machen Sie es nicht so spannend.« Frauke zeigte auf ihren
Schreibtisch. »Wir haben genug anderes zu erledigen.«
»Man hat bei Buggenthin noch ein anderes Medikament gefunden.
Viagra.«
»Das erklärt einiges«, stimmte Frauke zu. »Das ist kontraindiziert
zum Nitro-Spray. Aber das weiß man doch.«
»Man vielleicht schon, aber Kurt Buggenthin nicht. Vermutlich hat er
in Erwartung des sexuellen Kontakts Viagra geschluckt. Wenn das ein
Missverständnis war und Elke Findeisen das zurückgewiesen hat, könnte sich
Buggenthin aufgeregt haben. Aus der Stresssituation ist ein
Angina-pectoris-Anfall erwachsen, den der Mann mit dem Nitro-Spray bekämpft
hat. Die Kombination mit Viagra war tödlich, da es zu einem lebensbedrohlichen
Blutdruckabfall gekommen ist. Leider kam jede ärztliche Hilfe zu spät. Das ist
auch nicht verwunderlich, da Buggenthins Herz vorgeschädigt war.«
»Das ist alles sehr bedauerlich, aber ich sehe immer noch keinen
Ansatzpunkt für ein Interesse unsererseits.«
Madsack lächelte und senkte seinen Kopf, dass sein Doppelkinn auf
dem Kragen auflag und den korrekt gebundenen Krawattenknoten nahezu verdeckte,
während er in seiner Sakkotasche kramte.
»Hier«, sagte er und legte eine kleine Plastiktüte auf den Tisch.
»Das ist das Medikament.«
Frauke betrachtete die Schachtel. Drei Viertel der Packung waren
weiß. Oben stand der Name des Präparats in Großbuchstaben: VIAGRA. Daneben war ein hellblaues
Rechteck aufgedruckt. Unten rechts prangte das Logo des Herstellers. Der
amerikanische Pharmakonzern »Pfizer« war mit Viagra weltberühmt geworden, als
er das Medikament mit dem Wirkstoff Sildenafil 1998 auf den Markt gebracht hatte.
»Was ist damit?«
Madsack zog einen Montblanc-Kugelschreiber aus seiner Sakkotasche
und tippte damit auf das linke Viertel der Verpackung.
»Das ist der entscheidende Punkt.«
Frauke konnte nichts entdecken. Der Hauptkommissar ließ die Spitze
des Kugelschreibers über die Packung wandern. Er wies auf eine weiße Raute im
dunkelblau bedruckten linken Teil.
»Pfizer«, las Frauke.
»Die Kollegen haben den Strichcode geprüft. Der ist okay.« Dabei
zeigte Madsack auf den Balkencode.
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