Niedersachsen Mafia
Sie schüttelte
energisch den Kopf. »Das hätte ich mitbekommen.«
»Kann es sein, dass sich Bassetti hier verabredet hat, während Sie
freihatten?«
Erneut verneinte sie. »Wir sind ein Familienbetrieb.« Sie nickte mit
dem Kopf in Richtung des Pizzaofens. »Mein Mann steht täglich an dem Platz
dort. Sieben Tage die Woche. Und ich bin auch täglich hier. Nein. Das wüsste
ich.«
»Ist Ihnen aufgefallen, ob Bassetti Kontakt zu anderen Gästen Ihrer
Pizzeria hatte?«
Jetzt überlegte sie einen Moment. »Sicher. Wenn man hier öfter
hinkommt, kennt man einander vom Ansehen. Er hat mal mit diesem, mal mit jenem
gesprochen.«
»Waren da Landsleute von Ihnen dabei?«
Die Wirtin lächelte. »Ich bin Deutsche. Mein Mann kommt aus Italien.
Sie meinen sicher, ob Italiener dabei waren?«
»Ja.«
»Warten Sie.« Judith Fillipi zog die Stirn kraus. »Doch. Ein paar
Mal hat er hier mit Giancarlo zusammengesessen. Besonders wenn Fußball im
Fernsehen lief. Dann stellen wir hier einen Apparat auf.« Sie beugte sich ein
wenig zu Frauke herab. »Italiener und Fußball. Da gibt es kein Halten.«
»Giancarlo? Wissen Sie, wie er weiter heißt?«
»Leider nicht«, bedauerte die Wirtin.
»Oder wo er wohnt?«
»Irgendwo hier im Viertel – glaube ich zumindest. Mehr kann ich
nicht sagen.« Sie sah über die Schulter zu den zusammengeschobenen Tischen.
Einer der Gäste winkte ihr zu. »Entschuldigung, aber ich muss mal wieder.« Frau
Fillipi hatte sich schon zwei Schritte entfernt, als ihr doch noch etwas
einfiel. »Giancarlo arbeitet auf dem Großmarkt. Obst und Gemüse.«
»Wo dort? Der ist doch sicher groß.«
»Tut mir leid.« Dann wandte sich die Wirtin den anderen Gästen zu.
» Prego, signora . Heiß«, sagte
der Kellner, als er die dampfende Schale mit dem Broccoli al forno brachte.
Frauke hielt ihr Weinglas in die Höhe um anzudeuten, dass sie ein
weiteres wünschte. Dann aß sie ihr Abendessen. Auch das war vorzüglich und ließ
die ewig kreisenden Gedanken an die Mitarbeiter, an die noch offenen
Ermittlungen und an Kurt Buggenthin, der am Morgen dieses Tages so überraschend
verstorben war, vergessen.
Versonnen tauchte vor ihrem Auge der Mann auf, der sie im Bahnhof
angelächelt und sie anschließend bis zum Kröpcke verfolgt hatte. Es
schmeichelte ihr, dass sich der jüngere und gut aussehende Mann für sie
interessiert hatte.
Nach dem Essen griff Frauke ihr Handy und rief Herrn Eberlein, den
Vermieter der Wohnung in der Lister Meile, an.
»Ich würde die Wohnung gern mieten«, sagte sie.
»Das überrascht mich jetzt«, erwiderte der Mann. »Ich würde Sie
zuvor gern persönlich kennenlernen. Und natürlich hätte ich noch ein paar
Fragen. Sie verstehen?«
Frauke vereinbarte mit Herrn Eberlein einen Termin im Café am
Kröpcke. »Ich werde eine Hannoversche Allgemeine als Erkennungszeichen
dabeihaben«, sagte sie.
Nach dem Essen trat sie an die frische Luft. Inzwischen war es
dunkel geworden. Sie ging die Lister Meile zurück, sah an der Fassade des
Hauses hoch, in dem sie vermutlich doch die Wohnung mieten würde, und bog am
belebten Weißekreuzplatz in Richtung der ruhigen Nebenstraße ab, in der ihr
kleines Hotel lag. Ihr graute vor der Nacht, vor dem kahlen und tristen
Hotelzimmer, das keine Geborgenheit schenkte, kein wirkliches Zuhause war.
Unterwegs hatte sie an Schaufenstern haltgemacht und sich umgesehen.
Von dem charmanten Mann vom Bahnhof war nichts zu sehen gewesen
DREI
Das Wasser knallte gegen die Plexiglaswand, perlte ab und lief in
Strömen an ihr herunter, um sich mit dem zu vereinigen, das direkt in die
Duschwanne rauschte. Vor dem Abfluss bildete es einen Strudel, um dann mit dem
Schaum im Ausguss zu verschwinden.
Frauke meinte, irgendwo einmal gehört zu haben, dass auf der
nördlichen Halbkugel der Strudel sich immer entgegen dem Uhrzeigersinn drehen
würde. Andere Wissenschaftler bestritten diese These.
Es kümmerte sie nicht. Sie hatte endlich wieder einmal gut
geschlafen. Nun genoss sie die heiße Dusche und ließ das Wasser länger laufen,
als es zum Abspülen des Schaums erforderlich gewesen wäre. Nachdem sie der
Duschkabine entstiegen war, rubbelte sie sich ab, nahm sich etwas mehr Zeit
fürs Make-up und verließ die kleine Nasszelle ihres Hotelzimmers. Jetzt war es
nur noch eine Frage der Zeit, bis sie wieder eine eigene Wohnung hatte. Ob es
auch ein Zuhause sein würde, vermochte sie im Augenblick noch nicht
einzuschätzen. Vor dem Garderobenspiegel stutzte sie einen
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