Niedersachsen Mafia
Eisstand, kaufte sich eine Waffeltüte und
bummelte gemächlich die Georgstraße abwärts Richtung Aegidientorplatz. Links
lag das im spätklassizistischen Stil errichtete Gebäude der Staatsoper
Hannover, eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt, nach deren
Erbauer Georg Ludwig Friedrich Laves eine der Hauptverkehrsachsen benannt war.
Frauke hatte den Eindruck, dass dieses Straßenstück Hannovers
Flaniermeile war. Das Varieté, die interessanten Geschäfte mit dem hochwertigen
Angebot und die Cafés gaben diesem Abschnitt der Georgstraße ein besonderes
Flair. Etwas weiter unten lag das »Oscar’s«, in das Schwarczer sie nach dem
Einsatz im Rotlichtviertel geführt hatte.
Frauke hielt einen Moment inne, als es von ihrer Eiswaffel leckte
und auf ihren Finger tropfte. Dabei warf sie einen Blick zurück und gewahrte
zwei Männer, die ihr im Abstand von zwanzig Metern zu folgen schienen. Im
selben Moment, als die beiden bemerkten, dass Frauke sie entdeckt hatte,
blieben sie stehen, sprachen miteinander, suchten nach einer Zigarette und
zündeten sich einen Glimmstängel an. Die Männer waren nicht sehr geschickt.
Immer wieder sahen sie in Fraukes Richtung. Es gab keinen Zweifel. Sie wurde
verfolgt. Frauke hatte nur einen kurzen Blick auf die beiden geworfen. Einer
war in eine fast schmuddelig wirkende Jeansjacke gekleidet, und der zweite
passte nicht zu ihm. Er trug saloppe, aber dennoch sicher nicht in jedem
beliebigen Kaufhaus zu erstehende Kleidung. Der Jeansträger konnte ein
Einheimischer sein, während sein Kumpan mit den dunklen, glänzenden Haaren eher
einem südeuropäischen Typ entsprach.
Frauke ging langsam weiter, reduzierte ihr Tempo und hielt an der
nächsten Straßeneinmündung, einer Fußgängerzone, an.
Sie aß in aller Ruhe ihr Eis auf, kramte in ihrer Handtasche und
holte ein Papiertaschentuch hervor, mit dem sie sich umständlich die Lippen
abtupfte und die Finger reinigte. Während sie das Tuch in die Tasche
zurücksteckte, zog sie ihr Handy hervor, schaltete noch in der Tasche mit einer
Hand auf Kameramodus, zielte mit dem Apparat in Richtung der beiden Verfolger
und machte rasch zwei Aufnahmen. Das war den Männern nicht verborgen geblieben.
Der Jeansträger stieß seinen Begleiter an. Beide gingen mit schnellem Schritt
auf Frauke zu. Dabei sah sie, wie das Sakko des Südländers ein wenig
zurückgestreift wurde und der matt schimmernde dunkle Stahl eines
Pistolenknaufs sichtbar wurde.
Frauke hatte Gewissheit. Die beiden hatten es auf sie abgesehen.
Fieberhaft überlegte sie, wie sie sich der Situation entziehen konnte. Wenn sie
ihre eigene Waffe zog, könnte es in ein Feuergefecht münden, bei dem
unbeteiligte Passanten in Mitleidenschaft gezogen würden. Die Männer waren ihr
aber so dicht auf den Fersen, dass sie keine Möglichkeit sah, Hilfe
herbeizutelefonieren. Es schien, als wäre sie in einer hoffnungslosen Position.
Sie hatte die nächste Straßenecke erreicht. Auf der anderen Seite
befand sich ihr Ziel – der Georgsplatz. Es war zutreffend, was man ihr
berichtet hatte. Dort trafen sich am Freitagnachmittag bei gutem Wetter die
Biker, nicht institutionell, sondern nur aus der Freude am gemeinsamen Hobby
Motorradfahren. Dicht an dicht parkten auf dem dreieckigen Platz unter den
Kronen der mächtigen Bäume die Kräder, dazwischen standen in kleinen Gruppen
Männer und eine Handvoll Frauen in Lederkluft, besahen sich die Maschinen,
fachsimpelten, rauchten und genossen die Vorfreude auf das Wochenende. Auch die
Sitzbänke am Rand des Platzes aus Glasbausteinen waren von den Motorradfreunden
belegt. Frauke erblickte die Skulptur aus drei roten Säulen, die Bäume in den
Pflanzbottichen und die Fontänen der drei Springbrunnen, die förmlich die
Kulisse des bunten Treibens bildeten.
Mit raschem Schritt überquerte sie beim Wechsel der Ampel auf Grün
die Seitenstraße. Am Rande der Versammlung stand eine Gruppe von drei Männern,
die ihr entgegensahen. Ein älterer mit kurzem grau-weißem Haar löste sich
daraus und kam ihr ein paar Schritte entgegen, nachdem er seinen Freunden etwas
zugeraunt hatte. Frauke war zunächst versucht, dem Mann auszuweichen, aber er
machte einen halben Ausfallschritt, sodass er genau in ihre Laufrichtung kam,
breitete die Arme aus und fing sie förmlich auf. Dabei sah er an ihr vorbei
über ihre Schulter in Richtung der Verfolger.
»Probleme?«, fragte er mit sonorer Stimme.
Bevor Frauke antworten konnte, waren die beiden anderen Biker
Weitere Kostenlose Bücher