Niedersachsen Mafia
Handy. Deutlich war zu hören, dass der Lüneburger in
einem fahrenden Auto saß.
»Wir sind auf dem Rückweg von Göhrde. Dort wohnt der Landwirt, der
die Scheune vermietet hat, die der Bande als Umschlagplatz diente. Natürlich
gibt es keinen schriftlichen Vertrag. Der Landwirt hat die Miete bar auf die
Hand erhalten. Die Leute waren Ausländer, hat er gesagt. Beschreiben konnte er
sie nicht. Sie haben Deutsch mit starkem Akzent gesprochen. Ob es Russisch,
Italienisch oder Türkisch war – darauf wollte er sich nicht festlegen. Er kommt
selten aus seinem Dorf heraus. Und dort gibt es keine Ausländer, sodass ihm
Vergleichsmöglichkeiten fehlen.«
»Ist es dem Mann nicht merkwürdig vorgekommen, dass man seine
einsame Scheune gemietet hat?«
»Ja, das schon. Er hat sich auch gewundert und war neugierig. Zwei
oder drei Mal ist er hingefahren, war aber beruhigt, als er feststellte, dass
die Scheune leer war. Dann hat er sich nichts mehr dabei gedacht. Man hat ihm
erklärt, dass sich ein paar Motorradfreunde zusammengetan haben, die dort im einsamen
Wald Motocross fahren wollten. Das ist nicht legal. Sie wollten eine
Unterstellmöglichkeit für ihre Maschinen haben, damit sie die nicht jedes Mal
wieder mit an ihren Wohnsitz nehmen müssen.«
Das klang plausibel, zumindest für den Landwirt.
»Wir haben auch nachgeforscht«, fuhr Heidenreich fort, »wer die
Annonce in der Landeszeitung aufgegeben hatte, auf die sich Günter Blechschmidt
um den Nebenverdienst beworben hatte. Die Mitarbeiterin in der Anzeigenannahme
konnte sich nicht mehr an den Kunden erinnern. Er hat bar bezahlt. Das ist
nichts Ungewöhnliches.« Damit war auch diese Spur ins Leere gelaufen.
Anschließend rief Frauke in der Kriminaltechnik an. Dort hatte man
festgestellt, dass die Rahmennummer der Moto Guzzi nicht manipuliert war. Es
hatte den Anschein, als hätte Stupinowitsch die Maschine legal erworben.
Offensichtlich handelte es sich um sein Motorrad. Ob der ungewöhnliche Weg, die
Maschine zur Inspektion nach Hannover und wieder zurückzutransportieren, gegen
irgendwelche zollrechtlichen Bestimmungen verstieß, interessierte Frauke nicht.
Es war schwierig genug, den Nachweis zu erbringen, dass die Mörder Friedrich
Rabensteins die Moto Guzzi zur Flucht benutzt hatten. Zu der benutzten Waffe
gab es noch kein Untersuchungsergebnis.
»Was ist?«, fragte Frauke, die sich durch einen Anruf Madsacks
gestört fühlte.
»Hier ist etwas Merkwürdiges geschehen«, berichtete der
Hauptkommissar. »Wir haben Marktende. Die anderen Marktbeschicker bauen ihre
Stände ab, aber bei unserem tut sich nichts.«
»Was heißt das? Verkauft der Türke weiter?«
»Das ist es«, gestand Madsack kleinlaut. »Vor einer Viertelstunde
ist er mit einer Kiste unterm Arm weggegangen, nachdem er zuvor die Kasse
geleert hatte.«
»Sind Sie ihm nicht gefolgt?«
»Ich dachte, er bringt die Ware zu seinem Auto. Dass er
sicherheitshalber den Kasseninhalt mitnimmt, hat mich nicht stutzig gemacht.«
»Hat Özden vorher telefoniert?«
»Sicher«, erwiderte Madsack. »Der hat den ganzen Vormittag über
telefoniert. Pausenlos.«
Da dürfte es schwierig sein, festzustellen, ob er von jemandem die
Anweisung erhalten hat, sich unauffällig zurückzuziehen. Und Nathan Madsack mit
seiner Korpulenz war natürlich auch alles andere als ein unauffälliger
Observierer.
Frauke wählte die Nummer des Gemüseimporteurs auf dem Großmarkt.
Nach mehreren Versuchen meldete sich die Kontoristin.
»Ich will Rossi sprechen«, sagte Frauke in einer Tonlage, die keinen
Widerspruch duldete.
»Was ist nun schon wieder los!«, brüllte der Italiener in den Hörer.
Frauke merkte ihm an, dass er immer gereizter wurde, wenn die Polizei Kontakt
zu ihm aufnahm.
»Ist Necmi Özden bei Ihnen eingetroffen?«
»Warum fragen Sie das, eh? Wieso interessiert es Sie, was mit
unserem Geschäft ist?«
»Mich würde nicht wundern, wenn Sie heute auf die Tageseinnahme aus
Stöcken verzichten müssten. Es hat den Anschein, als wenn Özden mit der Kasse
durchgebrannt ist. Sie sollten schnell jemanden in die Hogrefestraße schicken,
um zumindest den Stand und die Restbestände der Ware sicherzustellen.«
»Mamma mia«, jammerte Rossi. »Was habe ich nur getan, dass ich es
nur mit Verrückten zu tun habe? Wenn ich den Hund erwische, dann … Ausgerechnet
Stöcken. Wie soll ich erklären, dass uns ein ganzer Tagesumsatz fehlt? Die
Hogrefestraße am Freitag ist der absolute Renner. Haben Sie eine
Weitere Kostenlose Bücher