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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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sich. Jedenfalls holte er die Zigaretten heraus, doch bevor er eine anbieten konnte, hatte sich Bence das ganze Päckchen geschnappt und in die Tasche gesteckt.
    Â»Hey, Moment mal«, sagte Monger.
    Â»Das schuldest du mir, Kumpel.«
    Â»Dir schulden? Wieso?«
    Der andere schielte auf Mongers Essen. Er langte hinüber und machte sich über den Pudding her. »Hab Hunger«, erklärte er und nahm Monger ins Visier.
    Monger sagte: »Ich nehme an, dir schulde ich auch was.«
    Beide Männer ignorierten ihn. Bence beugte sich nach vorn und sah seinen Kumpanen an. »Was haben sie dir für heute Nachmittag aufgedrückt?«
    Â»Scheißhaus putzen.«
    Â»Soll Monger dir doch helfen.«
    Monger protestierte. »Ich wollte in der Bibliothek arbeiten.«
    Â»Darauf möchte ich wetten, aber das ist für so einen kleinen Scheißer wie dich zu anspruchsvoll. Ich meine, es würde mir richtig leid tun, wenn du dich hier drinnen langweilst.« Bence fuhr fort: »Wenn man einem Typ hier einen Gefallen tut, erwartet man von ihm doch das Gleiche, oder?«
    Â»Absolut«, sagte der andere Mann.
    Als er später in die Zelle zurückkam, fand Steer Monger zusammengekrümmt am Boden vor, müde und schmutzig, ein Häufchen Elend mit Tränen im Gesicht. »Komm schon, reiß dich am Riemen.«
    Er half Monger auf die Beine. »Das habe ich vorausgesehen, Kumpel«, sagte Steer. »Ich habe alles mitbekommen.«
    Â»Scheiße, und warum hast du nichts gemacht?« Monger kämpfte gleichzeitig gegen den Ekel vor sich selbst und gegen das Zittern, das seinen Körper erfasst hatte.
    Â»Ein paar grundsätzliche Überlebensregeln, okay?«, sagte Steer. »Ganz wichtig: Von jetzt an — und das betrifft vor allem den Hofgang — bist du gezeichnet. Harte Typen wie Bence werden dir das Leben schwer machen, sich dir in den Weg stellen, dich herumstoßen und so weiter. Wenn du versuchst, ihnen auszuweichen, sie zu ignorieren, kannst du dich genauso gut verkriechen und sterben. Du gehörst ihnen, für immer. Die Schwester unter der Dusche. Du musst es mit ihnen aufnehmen. Kommt es zum Augenkontakt, bleib standhaft. Starre ihnen Löcher in den Leib. Sie werden die Scheiße aus dir rausprügeln, aber letzten Endes bringt dir das Respekt ein.«
    Er hielt inne, musterte Monger von oben bis unten. »Mein Gott, du hast von Anfang an danebengelegen, bei allem, nicht wahr?« Er schnippte mit den Fingern und wies auf Mongers abgetragenes Hemd, auf seine geflickten Hosen. »Man schaue sich nur mal die Klamotten an, die sie dir gegeben haben. Die hättest du sofort ablehnen müssen. Das Gleiche gilt für Zigaretten. Hier drin nimmt man nur etwas an, wenn es von einem echten Kumpel kommt und nicht von einem Kerl, den man nicht kennt. Das signalisiert nämlich, dass man schwach ist, alles akzeptiert, unfähig ist, sich durchzusetzen. Außerdem ist man diesem Kerl dann etwas schuldig. Genau darum ging es heute Nachmittag mit Bence.«
    Â»Und warum hilfst du mir?«
    Â»Ich mag es nicht, wenn ein junger Kerl Spießruten läuft.«
    Â»Ich bin keine Schwuchtel, damit du Bescheid weißt.«
    Â»Hab ich auch nicht behauptet. Ich bin auch keine. Aber irgendwie müssen wir uns hier die Zeit vertreiben, richtig? Also, warum nicht mit ein paar Nachhilfestunden?«
    Steer hielt jungen Kriminellen gern ein paar Vorträge; eine Seite an ihm, die manchmal auf die Nerven ging, aber er konnte nicht anders. Es gefiel ihm, sie darauf hinzuweisen, wenn sie auf dem Holzweg waren. Teils gab es ihm Auftrieb, teils erinnerte es ihn daran, woran er in der Vergangenheit gescheitert war, und teilweise brachte es ihm Respekt ein — sofern er es nicht übertrieb.
    Am nächsten Tag teilte man ihm mit, dass er Besuch habe. Man brachte ihn in einen Raum, der nach Hoffnungslosigkeit stank. Denise wartete auf ihn. Sie schenkte ihm ein tränenfeuchtes Lächeln und in Steer machte sich so etwas wie Niedergeschlagenheit breit.
    Der Besucherraum hatte etwas von einem drittklassigen Café, ein Ort scharrender Stuhlbeine, lauthals geführter Unterhaltungen, hustender Raucher und allgemeiner Niederlagen. Armut, das traf es, Armut. Es war eine Welt armer Männer und ihrer armen Familien. Ihre Kleidung war billig, ihre Haarschnitte und Schuhe waren billig, ihre Ambitionen bescheiden. Jeder Mann im Raum hatte sich an diesem Morgen geduscht und

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